Auferstehung ist Wirklichkeit und kein Wunschdenken. Auferstehung ist Aufstehen und Hinlaufen. Auferstehung ist, sich retten zu lassen. Eine Predigt in der Osternacht


Liebe Brüder und Schwestern, „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,6), sagen die beiden Engel in leuchtenden Gewändern zu den ratlosen Frauen. Und Ratlosigkeit ist nicht nur verständlich, sie ist mit einem einigermaßen gesunden Hausverstand auch fast geboten. „Was ist jetzt noch?“, könnten wir unausgesprochen dazu-hören, obwohl es nicht dasteht.

Im Lukasevangelium ist es eine ganze Frauengruppe, die zum Grab aufgebrochen war. Und diese Frauen tun nichts anderes, als dass sie feststellen, was ist. Ohne die Dinge zu interpretieren. Sie erklären nichts. Die Frauen haben ihn erlebt, den Herrn, wie er Menschen geheilt und begeistert, also mit Geist erfüllt hat. Sie haben mit-erlebt, dass und wie er gestorben ist, und sie waren ziemlich sicher an jener Stelle dabei, wo er begraben worden ist. Jetzt ist das Grab leer. Und sie sind ratlos. Sie haben – so könnten wir sagen – keine Interpretation der Dinge. Oder für uns heutige Menschen schärfer formuliert: Die Frauen am Ostergrab sind das Gegenteil von Menschen, die immer schon alles gewusst haben, die es besser wissen als die anderen. Glaube beginnt mit dem einfachen Wahrnehmen dessen, was ist. Dieses Prinzip ist der Grund, warum der Evangelist sehr detailliert beschreibt, was die Frauengruppe tut.

Petrus aber stand auf und lief zum Grab“ (Lk 24,12). Der Apostelfürst erweist sich einmal mehr als ein Champion der Hoffnung. Seine Hoffnung ist aber kein Wunschdenken. Petrus gehört nicht zu den Menschen, die sich einfach einreden könnten, dass Ungemach schon irgendwie gut werden wird. Er ist noch nicht einmal ein Optimist. Dafür ist der Fischer aus Galiläa viel zu bodenständig. Die Hoffnung des Petrus ist anders. Die Hoffnung des Petrus besteht darin, dass er es für möglich hält, dass da noch ein Plus, ein Mehr ist; Die petrinische Hoffnung besteht darin, dass mehr möglich sein könnte, als er sieht, hört oder denken kann. Es ist dieselbe Hoffnung, die ihn am Anfang dazu gebracht hatte, die Netze am Morgen nocheinmal auszuwerfen, obwohl er die ganze Nacht nichts gefangen hatte (Vgl. Lk 5,5). Es ist dieselbe Hoffnung, die ihn aufs Wasser springen lässt, obwohl ihm ziemlich sicher klar war, dass das keine besonders gute Idee ist (Vgl. Mt 14,22ff). Es ist diese Hoffnung, die ihn dazu führt zu sagen „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Noch einmal: Das ist etwas anderes als Wunschdenken. Der Unterschied zwischen der Hoffnung des Petrus und dem Wunschdenken eines unverbesserlichen Optimisten ist, dass es beim Wunschdenker auf die Kraft des eigenen Wünschens ankommt. Petrus hingegen hat keine Kraft mehr die Welt zu verändern. Derjenige, der die Kraft hatte, die Welt zu verändern, ist Jesus, und diesen hat er kurz zuvor begraben. Alles, was Petrus am Ostermorgen bleibt, ist aufzustehen und hinzulaufen.

Petrus mahnt uns, mehr für möglich zu halten als wir sehen

In diesem Offenbleiben für die Möglichkeit eines göttlichen Mehr ist der Apostelfürst ein Vorbild bis heute. Für alle Gläubigen. Es ist eine der Funktionen seiner Nachfolger: Natürlich ist die erste Aufgabe des Petrusamtes die Sorge um die Einheit der Kirche. Gleich danach kommt aber dieses Aufstehen am Ostertag. Unabhängig von ihrem persönlichen Charakter sind des Petrus Nachfolger in dieser Perspektive zu verstehen. Das berühmte „Weide die Schafe“ am Ende des Joh meint nichts anderes als dass der Auftrag des Petrus darin besteht, uns zu erinnern, immer noch mehr für möglich zu halten als der Mensch gerade sieht, hört oder denkt.

Ein dritter Gedanke: Was wirklich bei der Auferstehung Jesu geschehen ist, lässt der Evangelist Lukas aus. Er erzählt das Begräbnis und gleich im Anschluss daran, dass die Frauen am leeren Grab stehen. Er kann es uns schlicht nicht beschreiben. Niemand kann Auferstehung erklären genausowenig wie irgendwer Gott begegnen kann. Deshalb sollten wir nicht zu abfällig über die Apostel urteilen, wenn sie die Erzählung der Frauen für „Geschwätz“ halten (Lk 24,11). Wir tun das vielfach bis heute. Auch viele Christen. Die alljährlich wiederkehrenden Diskussionen darüber, ob das Grab wirklich leer war oder ob die Auferstehung Jesu vielleicht eine andere, nicht ganz historische Wirklichkeit beschreiben würde, offenbart nichts anderes als die Hilflosigkeit der menschlichen Vorstellungskraft. Selbst der Evangelist Lukas – ganz ohne Zweifel einer der stärksten Intellektuellen unter den frühen Christen – lässt die Beschreibung aus, weil ihr keine Beschreibung gerecht werden würde. Ist das verdächtig? Ich würde sagen Nein: Man muss Gott nicht sehen, um zu wissen, dass er einen rettet. Das ist dieselbe Erfahrung der Israeliten, die am Roten Meer singen „weil er hoch und erhaben ist“ (Vgl. Ex 15,1). Der entscheidende Punkt ist nicht, dass wir dabei zuschauen, wie Gott arbeitet. Der entscheidende Punkt ist, dass wir zulassen und akzeptieren, dass Gott an uns arbeitet. Dass er uns rettet.

Mit unseren Schwierigkeiten zu seinem Kreuz drängen

Es gab gestern am Karfreitag in unserer Franziskanerkirche einen kurzen Augenblick, der mich blitzschnell getroffen und betroffen gemacht hat. Bei der Kreuzverehrung der Karfreitagsliturgie sind die Menschen – sind Sie alle – mehr oder weniger geordnet nach vorne gekommen. Zwischenzeitlich war sogar ein bisschen Gedränge. Vom Stuhl vorne aus erblickte ich einen Mann mit einer verdunkelten Brille. Ich kenne ihn nicht. Ich weiß auch nichts von ihm. Ich weiß gar nicht, ob er wenig sieht oder gar nichts sieht. Oder ob er sich einfach stützte. Das ist aber auch nicht so wichtig. Jedenfalls ließ er sich von einem Begleiter durch die Menge führen. Er wollte zum Kreuz vor dem Altar. Ich saß da hinten und dachte „Schau an, Herr, wie die Menschen zu Deinem Kreuz drängen“. Sogar wenn jemand wenig oder vielleicht gar nichts sehen kann, strengt er sich an, nach vor, zu deinem Kreuz zu kommen. Warum?, dachte ich mir. Als der Mann vor dem Kreuz stand, machte er ein Kreuzzeichen und bedeutete seinem Begleiter, dass er wieder gehen möchte. Gleichzeitig breitete sich ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht aus. Ich hoffe, Sie haben es nicht gemerkt, aber mir kamen fast die Tränen. Das ist das Ostererlebnis der Jünger: Wir spüren an der lächelnden Erleichterung wie die Freude Leben erweckt. Das ist der Paulus, liebe Sr. & Br., den wir in der Epistel gehört haben: „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden“ (Röm 6,8) meint nicht nur die Ewige Freude im nächsten Leben. Das auch. Paulus erklärt uns eine Hoffnung für dieses Leben, nämlich, dass wir mit unseren Kreuzen zum Herrn und seinem Kreuz hindrängen können. Wir sollen hinlaufen zum Christus: Mit unseren Leiden, den Schwierigkeiten, den Kriegen, den Alltagsproblemen, der Einsamkeit. Weil er, der Christus, von allem, was abgetötet ist, die Endgültigkeit wegnimmt.

Mit den Frauen am Grab auch unsere Wirklichkeit anzunehmen, wie sie ist, ist Liebe (1). Wie Petrus sich aufmachen, weil es mehr gibt als das, was Menschen verstehen können, ist Hoffnung (2). Und mit unseren großen und kleinen Kreuzen zu ihm und seinem Kreuz zu drängen, das ist Glaube (3).

Dass der Auferstandene alles Leid verwandelt, können wir bisweilen spüren. Es ist manchmal „zum Greifen“: jedesmal dann, wenn irgendwo die österliche Freude einen Menschen ganz erfasst. Wie jenen Mann gestern hier in Salzburg vor dem Kreuz. Das sollen wir feiern. Dafür dürfen wir dankbar sein. Denn ein solches Lächeln ist unser Ton, mit dem wir einstimmen in den großen Chor der Engel, die im Himmel jubeln, mit dem wir einstimmen in den großen Chor der Gläubigen, die uns vorausgegangen sind zu Ewigen Freude:

Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaft auferstanden. Halleluja. Amen.

(mtz)

Author

windl@turmderwinde.eu

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert