
Selbst der Messias wird von Johannes im Jordan getauft. Das hat Auswirkungen bis heute. Es ist die Tür, durch die alle Menschen eintreten können.
Lk 3,15-16.21-22
In jener Zeit
15 war das Volk voll Erwartung
und alle überlegten im Herzen,
ob Johannes nicht vielleicht selbst der Christus sei.
16 Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort:
Ich taufe euch mit Wasser.
Es kommt aber einer, der stärker ist als ich,
und ich bin es nicht wert, ihm die Riemen der Sandalen zu lösen.
Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.
21 Es geschah aber,
dass sich zusammen mit dem ganzen Volk
auch Jesus taufen ließ.
Und während er betete,
öffnete sich der Himmel
22 und der Heilige Geist
kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab
und eine Stimme aus dem Himmel sprach:
Du bist mein geliebter Sohn,
an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.
Für die Menschen der Antike war es eigentlich nie wichtig, wo eine Persönlichkeit geboren wurde oder wie sie aufgewachsen ist. Die Umstände von Kindheit und Jugend hat die Menschen schlicht nicht interessiert. Jesus von Nazareth, dessen Kindheitsgeschichten wir über Weihnachten gehört haben, oder der Täufer Johannes sind da eine immer schon Ausnahmen gewesen. Nicht-christliche Ausnahmen sind Kaiser Augustus, einige ägyptische Pharaonen oder mythologische Figuren wie die Stadtgöttin Athene.
Was die Menschen der Antike wirklich interessierte, war der Anfangspunkt des eigenständigen Wirkens in der Öffentlichkeit. Denn diese Anfangspunkte erzählen meistens über die Vorzeichen, unter denen ein Lebenswerk zu verstehen war. Momente des Anfangs erzählen dem Publikum, „wes Geistes Kind“ eine Persönlichkeit war. Wir können also sagen, mit der Taufe Jesu feiern Christen eine zweite Erscheinung des Herrn. Als Christen mit dem Blick zurück wissen wir natürlich von der Bedeutung der Geburt und den Umständen der ersten Lebensjahre. Aber mit der Taufe im Jordan wird es ernst: Die rund 30 Jahre, in denen das Wort Gottes unbemerkt in einem einfachen Haushalt in Nazareth gelebt hatte, sind vorbei: Der erwachsene Mann entscheidet sich dafür, sich einer bestimmten Reformbewegung anzuschließen – der Bewegung um den Täufer Johannes – und als sein erstes öffentliches Wirken macht er etwas Bemerkenswertes: Er stellt sich in eine Warteschlange.
Jesus wartet und betet
Das ist aus zwei Gründen bedeutsam: Erstens präsentiert sich Jesus als eine Art Gegensatz zu den gewöhnlichen Herrschergestalten. Kein Herrscher wartet bei seinem Antritt auf irgendjemanden. Meist ist es umgekehrt: Tritt beispielsweise in Rom ein neuer Kaiser an, dann sind es Senatoren und Leute aus dem Volk, von denen erzählt wird, wie sie warten bis der neue Imperator auftritt. Jesus, der eigentliche Weltenherrscher, den der Täufer ankündigt (Mit Feuertaufe beschreibt Johannes das Endgericht, vgl. Lk 3,16) ist anders: Er wartet. Und wir können mit vielen Exegeten annehmen: Jesus betet hier.
Dieses betende Warten Jesu ist aus einem zweiten Grund wichtig: Nicht die ersten Worte des neuen Herrschers sind maßgeblich, sondern zwei andere Worte setzen das Vorzeichen für Jesu Leben: Der Täufer Johannes, der von sich weg und auf den Christus hinweist. Der Täufer wird zum Garanten dafür, dass Jesus und später seine Jünger fest eingebettet in die Heilsgeschichte Israels bleiben. Das gilt bis heute: Vor dem Hintergrund des Täufers muss man sagen: es gibt kein Christentum ohne Juden. Das zweite Vorzeichen für Jesu Leben vermittelt uns die Stimme aus dem Himmel.
Es gibt kein Christentum ohne Juden.
Das Öffnen des Himmels und die Begegnung von Himmel und Erde, die sich hier ereignet, trägt die gesamte Botschaft des Evangeliums. Jesu Glaubwürdigkeit, sein authentisches Sprechen und Handeln, in denen er anderen einen Blick in den Himmel, in die Welt Gottes gewährt, sind abgesichert durch den Augenblick seiner Taufe bzw. durch das Herabkommen der Taube. Das Volk am Jordan ist Zeuge dafür: Durch diese Stimme (egal ob Gott direkt oder Engelsstimme) wird Jesus bewusst gemacht, in welcher einzigartigen Beziehung zu Gott er steht. Christentum, so könnten wir sagen, das sich von Christus ableitet, ist ein öffentlicher Dialog mit dem Schöpfergott. Wir haben nur Christus. Und wenn wir ehrlich sind, müssten wir Christen eigentlich noch schärfer formulieren: Diese Welt hat nur Christus.
Die Taufe Jesu ist ein historisch greifbares Ereignis: Von Beginn an haben die Christen dieses Ereignis als Auftakt für das Anbrechen des Gottesreiches verstanden (Vgl. Apg 10,37). Die Taufe Jesu im Jordan erklärt uns bis heute, unter welchen Vorzeichen wir das Leben des Herrn verstehen sollen. Seine Taufe erklärt, wes Geistes Kind dieser Jesus von Nazareth ist. Das ist nicht irgendein Lehrmeister oder ein kluger Lebensratgeber. Es kommt auch nicht auf seine Aussagesätze an, sondern das eigentliche Wesensmerkmal ist, dass er der Sohn des allmächtigen Schöpfergottes ist. Der Sohn, an dem der Vater Wohlgefallen hat. Der Sohn, über den Gott alle Menschen überall auf der Welt erreichen möchte: „Ich schaffe und mache dich zum Bund mit dem Volk, zum Licht der Nationen.“ (Jes 42,6). Amen.