Genesis 4,1-15.25

1 Adam erkannte Eva, seine Frau;
sie wurde schwanger und gebar Kain.
Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben.
2 Sie gebar ein zweites Mal,
nämlich Abel, seinen Bruder.
Abel wurde Schafhirt
und Kain Ackerbauer.
3 Nach einiger Zeit brachte Kain
dem Herrn eine Gabe von den Früchten des Erdbodens dar;
4 auch Abel brachte eine dar
von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.
Der Herr schaute auf Abel und seine Gabe,
5 aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht.
Da überlief es Kain ganz heiß
und sein Blick senkte sich.
6 Der Herr sprach zu Kain:
Warum überläuft es dich heiß
und warum senkt sich dein Blick?
7 Ist es nicht so: Wenn du gut handelst,
darfst du aufblicken;
wenn du nicht gut handelst,
lauert an der Tür die Sünde.
Sie hat Verlangen nach dir,
doch du sollst über sie herrschen.
8 Da redete Kain mit Abel, seinem Bruder.
Als sie auf dem Feld waren,
erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder, und tötete ihn.
9 Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder?
Er entgegnete: Ich weiß es nicht.
Bin ich der Hüter meines Bruders?
10 Der Herr sprach:
Was hast du getan?
Das Blut deines Bruders erhebt seine Stimme
und schreit zu mir vom Erdboden.
11 So bist du jetzt verflucht,
verbannt vom Erdboden,
der seinen Mund aufgesperrt hat,
um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen.
12 Wenn du den Erdboden bearbeitest,
wird er dir keinen Ertrag mehr bringen.
Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein.
13 Kain antwortete dem Herrn:
Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte.
14 Siehe, du hast mich heute vom Erdboden vertrieben
und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen;
rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein
und jeder, der mich findet,
wird mich töten.
15 Der Herr aber sprach zu ihm:
Darum soll jeder, der Kain tötet,
siebenfacher Rache verfallen.
Darauf machte der Herr dem Kain ein Zeichen,
damit ihn keiner erschlage, der ihn finde.
25 Adam erkannte noch einmal seine Frau.
Sie gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Set, Setzling.
Denn sie sagte:
Gott setzte mir einen anderen Nachkommen anstelle Abels,
weil Kain ihn getötet hat.


Der seraphische Vater Franziskus, also unser Ordensgründer, ermahnt die Brüder einmal: „Wer immer also seinen Bruder um des Guten willen beneidet, das der Herr in ihm redet und wirkt, der zielt ab auf die Sünde der Gotteslästerung, weil er den Allerhöchsten selbst beneidet, der jegliches Gute redet und wirkt“ (Erm 8). Das ist eine zunächst bemerkenswerte Überlegung, die einen auch ein bisschen ernüchtert: Wenn etwas Gutes geschieht, wenn jemand etwas tut, das gut ist, dann ist es nicht der betreffende Mensch, der es tut, sondern Gott. Franziskus schreibt alles Gute dem Allmächtigen zu und alles Ungute sich selbst. Teilt man diesen Grundsatz einmal, dann wird klar, dass der Neid – auch in seinen kleinen Formen – eine Art Beleidigung Gottes ist.

Das Problem des Kain scheint genau dasselbe zu sein: Er sieht in Abel einen Bevorzugten. Und dieses Gefühl breitet sich in ihm aus. Es nimmt von ihm Besitz. Nach und nach wächst es an bis es ihn ganz erfasst. Folge: Gottesferne. Die Keniter – Abkömmlinge von Kain – sehen JHWH nur mehr von der Ferne. Immerhin sehen sie ihn noch. Kain wird nicht ausgelöscht.

Etwas gut sein lassen zu können ist das Mindeste, das wir alle tun können.

Wir Christen sollten uns nicht zu sicher fühlen: Emotionen oder Haltungen, die uns erfassen und uns irgendwann ganz einnehmen, gibt es bis heute in allen Menschen. Der entscheidende Punkt ist, ob wir im anderen Menschen – gläubig oder nicht gläubig – auch das Gute wahrnehmen und es gut sein lassen können. Zwischendurch etwas gut sein lassen zu können, ist die Mindeststufe an Leistung, zu der wir alle fähig sein sollten. Jeder Mensch tut irgendwo irgendetwas, das gut ist. Und es ist eigentlich Gott, der es durch diesen Menschen bewirkt. (mtz)

Author

windl@turmderwinde.eu

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