Zu den Einrichtungen, die sich in der Covid19-Krise bewähren, gehört ganz ohne Zweifel die römisch-katholische Amtskirche. Auf allen Ebenen. Schnell, viel schneller als der den Vatikan umgebende Staat Italien, haben die Bischöfe im Stiefelstaat auf Krisenmodus umgeschaltet. „Participatio actuosa„: Das geschieht seit der Aschermittwoch-Woche fast ausschließlich über Medien.
Der Streit um die „ausgeschlossenen Gläubigen“ bzw. um die angeblichen „allein gefeierten Messen“ ist großteils eine rhetorische Konstruktion im binnenkirchlichen Krieg der Standpunkte. Natürlich haben fast alle Katholiken in Europa (und anderswo auf der Welt) auf schmerzliche Weise Ostern „anders“ gefeiert als sie es sonst tun. Und wir nehmen auch weiterhin auf eine „eingeschränkte“ Art an den Sakramenten teil. Aber viele, sehr viele Gläubige „partizipieren“ ungebrochen am Geheimnis ihres Glaubens.
Eucharistische Anbetung: Minutenlange Stille
Die kleine und relativ junge Fernsehanstalt TV2000 der italienischen Bischofskonferenz meldete am Osterdienstag rekordverdächtige Zahlen: Über den Sender hätten in der Krise bisher rund 14 Millionen Menschen nur an der Frühmesse des Papstes in St. Marta und am täglichen Rosenkranz teilgenommen. RAI1, das Flaggschiff des staatlichen Fernsehens in Italien, hat sich inzwischen an die Übertragung angeschlossen und erreicht mit dem täglichen Gottesdienst von Papst Franziskus traumhafte Einschaltquoten von 25%. Zu Erinnerung: Die relativ kurz gehaltene Frühmesse beendet der Pontifex jeden Tag mit der Aussetzung des Allerheiligsten. Minutenlang verweilen Millionen Gläubige nur in dessen Betrachtung. Um für eine eucharistische Anbetung vergleichbare Zahlen an Teilnehmern zu finden, muss man in die Zeit von Benedikt XVI. zurückschauen: zu den Weltjugendtagen in Köln (2005) und Madrid (2011).
Natürlich ist nach katholischer Auffassung die Übertragung einer Messe nicht dasselbe wie eine physische Teilnahme daran. Immerhin ist Teilnahme an der Messe keine Privatangelegenheit, sondern immer als ein Gemeinschaftsakt zu verstehen. Der italienische Priester, Theologe und Journalist, Antonio Rizzolo, hat sich in einem Beitrag von 2015 für die internationale Online-Publikation aleteia.org der Frage nach der Gültigkeit von übertragenen Gottesdiensten angenommen.
Wer durch ernsthafte Gründe in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, für den gilt die sonn- und festtägliche Verpflichtung zur Messteilnahme nicht. Aber „die Teilnahme an der Messe“ sei nicht nur eine Frage der juristischen Sonntagspflicht. Vielmehr sei sie sowohl das „Geschenk der Begegnung mit dem Herrn“ als auch „der Begegnung mit seinem Leib, der Kirche“, schreibt Rizzolo und verweist auf eine „Pastorale Erklärung“ der italienischen Bischofskonferenz aus dem Jahr 1984 („Il Giorno del Signore„, auf Deutsch „Der Tag des Herrn“):
„Die Messe im Fernsehen wird häufig mit Beteiligung und Andacht vom kranken Menschen, vom alten Menschen oder von jemandem, der nicht persönlich in die Kirche gehen kann, erlebt. Und gerade dem letzteren kann sie einen spirituell sehr nützlichen Dienst anbieten.“
Dass „ernsthafte Gründe“ vorliegen, dürfte von niemandem bezweifelt werden. Dass das nicht nur irgendwelche Staatslenker so sehen, sondern die Bischöfe, denen in Glaubensfragen die Entscheidung zukommt, ebenso. Dass es sich um zeitlich begrenzte Maßnahmen handelt und nicht einfach der Kirchenraum mit dem Fernsehgerät ausgetauscht wird, ist auch klar. Aus der Viruszeit eine Frage des Feststehens im Glauben zu machen, ist theologisch unhaltbar. Und Millionen Menschen leben es tagtäglich anders.