Der Evangelium-Abschnitt vom vergangenen Sonntag (32. Sonntag JK) erzählt den Disput Jesu mit einer Gruppe von Sadduzäern über die Auferstehung nach den Toten (Lk 20,27-38). Rhetorisch schlau verweisen die Sadduzäer auf die Schwager-Ehe im mosaischen Gesetz (Dtn 25,5), um jene Frömmigkeit aufs Korn zu nehmen, die “Auferstehung” mehr oder weniger als Weiterführung des diesseitigen Lebens nachzeichnet. Jesus korrigiert die Sadduzäer indem er die Parameter zurecht rückt: Die Gesetzmäßigkeiten irdischen Daseins können nicht für das Sein-bei-Gott angenommen werden. Das Gesetz des Mose ist ein Gesetz für das Leben im Land der Verheißung (Vgl. Dtn 32,47). Dass sich G’tt selbst als “G’tt Abrahams, Isaaks und Jakobs” vorstellt, deutet für Jesus aber darauf hin, dass die Erzväter auch nach ihrem irdischen Tod zu den Lebenden zu rechnen seien. Zu den irdischen Gesetzmäßigkeiten gehört die Ehe als Form sozialer Organisation.
Etwas irritierend erscheint allerdings eine im Deutschen eigentümliche Übersetzung. Die Neue Einheitsübersetzung (NEÜ) übersetzt in Lk 20,34 die Antwort Jesu an die Sadduzäer (οἱ υἱοὶ τοῦ αἰῶνος τούτου γαμοῦσιν καὶ γαμίσκονται)mit der im Deutschen wenig aussagekräftigen Doppelformulierung “Die Kinder dieser Welt heiraten und lassen sich heiraten.” Das hier benutzte “γαμίσκονται” ist Medium-Passiv der Nebenform “Gamisko” und entspricht der dem Terminus tecnicus für das Heiraten eines Mannes ist. Die alte Fassung der EÜ hatte noch einfach zusammengefasst: “Nur in dieser Welt heiraten die Menschen”. Kittel führt in seiner Erklärung zur vorderen Stelle Lk 17,27 dazu an: “Jesus hält an der traditionellen jüdischen Sprech- und Denkweise fest, wenn er hier und in Mk 12,25 das Aktivum („gamein“) für den Mann, das Medium („gamizesthai“) für das Mädchen gebraucht” (Kittel, 648). Diese traditionelle Sprechweise ist nicht nur jüdisch, sondern allgemein griechisch.
Die zusammenfassende Formulierung der deutschen Fassung (sowohl EÜ als auch NEÜ. Übrigens auch Luther.) erscheint also der Dekonstruktion von Gender-Bildern geschuldet. Aber wird das Grundrede Jesu gerecht? Lk bettet den Abschnitt in die Erzählung über die letzten Tage in Jerusalem ein: Vom Einzug in Jerusalem über die Frage der Vollmacht bis zur Debatte über Steuern spricht er zum ganzen Volk. Auch die nachfolgenden Abschnitte zur Messiasfrage, der Ankündigung von der Zerstörung des Tempels und vom Ende der Welt richten sich sowohl an Männer als auch an Frauen.
Weswegen ja auch das “οἱ υἱοὶ” nicht mit “die Söhne”, sondern durchgängig mit “die Menschen” übertragen wird. Wäre es nicht verständlicher gewesen, wenn die Übersetzung jene, in der Antike gebräuchliche, geschlechtsspezifische Formulierung auch ins Deutsche übertrüge? Es ist wohl davon auszugehen, dass Lk bewusst doppelt formuliert, um gerade damit die universale Bedeutung von “οἱ υἱοὶ” als “die Menschen” herauszustreichen. Mit der Gender-Dekonstruktion der NEÜ in “heiraten und lassen heiraten” geht dieser Aspekt verloren. Der Eifer zeitgenössischer Gender-Exegese scheint mir im vorliegenden Fall das Kind mit dem Bad auszuschütten.