Der dritte Adventsonntag heißt Gaudete. Er steht im Zeichen der Freude. Freude ist zunächst etwas Subjektives: Damit wir sie wirklich wahrnehmen, muss sie vom einzelnen Menschen empfunden oder ausgedrückt werden. Die Begegnung mit einem lieben Freund; der Gruß einer bekannten; die Aufmerksamkeit, die eine Mutter ihrem Kind schenkt. Das löst Freude aus. Manchmal sind es größere Ereignisse, die bei den einzelnen Menschen – vielleicht sogar bei vielen einzelnen Menschen – zu Freude führen: Wenn ein österreichischer Skifahrer die Abfahrt gewinnt oder wenn ein Krieg sein Ende findet, weil sich die verfeindeten Lager auf Frieden verständigen.
Fehlt aber dieses Empfinden des Einzelnen, sind Appelle zur Freude inhaltsleer: Wie eine Pflanze, deren Blüte nicht aufgeht. Insofern birgt der jährlich im Kirchenjahr am 3. Adventsonntag (Gaudete-Sonntag) formulierte Aufruf zur Freude auch die Gefahr zur Schablone zu werden: Es herrscht Krieg. Viele Menschen leiden an Not oder kommen mit sich und der Welt nicht klar. Und eine wirkliche Veränderung der Umstände ist entweder nicht in Sicht oder unglaubwürdig.
Offenbar ist diese Kluft zwischen ersehnter Freude und den Abgründen der Wirklichkeit eine Erfahrung, die Christen von Beginn an machen: „Freut Euch zu jeder Zeit“, schreibt Paulus den Thessalónichern und meint ziemlich sicher damit, dass sie sich auch unter den schwierigen Lebensumständen des römischen Reiches noch immer freuen können, Christen zu sein. Es ist eine Grundstimmung, die die Gläubigen durch ihr Leben trägt. Das ist keine Erfindung des Paulus: Auch für den Propheten Jesaja galt: Freude erwächst aus dem Vertrauen auf Gott. Der fromme Gläubige vertraut auf den Herrn und daraus erwächst ihm eine Kraft, mit der er auch in Krisenzeiten noch Licht und Freude findet.
Aber ist es schon alles, wenn wir daran glauben, dass sich in jedem Dunkel irgendwo auch ein Licht befindet und wenn wir begründet darauf hoffen, dass am Ende der Zeiten das Licht – Christus – sich durchsetzen wird? Es ist gewiss viel. Viel mehr als die meisten Menschen haben, die nichts glauben. Aber es ist nicht alles.
Die Freude des Glaubenden ist auch etwas, das das Hier und das Jetzt betrifft. In jedem von uns. Und zwar ohne dass wir deswegen vom Übel wegschauen müssten. Der seraphische Ordensvater Franziskus meinte einmal, wahre Freude sei das Loswerden von eigenen Hemmnissen: Wenn er enttäuscht würde, wenn ihm Unrecht zugeführt würde, wenn er in Not geraten würde, und wenn er sich deswegen nicht ärgeren würde, dann entstünde wahre Freude. Sagt er einmal. Und beachten wir bitte: Franziskus freut sich nicht über den Enttäuschungen, über das Unrecht oder über die Not. Die Freude entsteht vielmehr dadurch, dass die Widrigkeiten des Lebens ihn nicht gefangen halten können. Das muss man natürlich üben: Kaum jemand ist so stark wie unser Ordensgründer. Aber ein Vorbild kann er sein: Und in gewisser Weise wird Franziskus damit zum Spiegelbild des Täufers Johannes.
Die Evangelisten – und heute eben der Evangelist Johannes – erzählen uns die Geschichte eines Menschen, der sich selbst in die Öffentlichkeit gebracht und eine große Anhängerschaft gewonnen hat. Vermutlich entstammte er sogar einer Familie aus dem Kreis derer, die in Jerusalem das Sagen hatten. Jedenfalls hatte er sich gegen das System, gegen die Mächtigen in Stellung gebracht. Und am Höhepunkt seines Wirkens, dann als die Anderen offensichtlich nicht mehr umhinkönnen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, lehnt er alles ab und verweist auf den Christus. Nicht nur vom Leid, sondern auch vom Erfolg kann man gefangen werden: Für den Täufer wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Erfolg für die eigene Botschaft zu benutzen. Aber er lässt sich nicht einnehmen, nicht einmal von sich selbst: Der Christus ist ein Anderer. Dieser Grundsatz, von sich weg und auf Christus hinzuweisen, verbindet Franziskus und Johannes. Der Täufer wird damit nicht nur zum biblischen Wegbereiter. Er kann uns selbst – bis heute – ein Vorbild sein. Im Großen wie in den kleinen Dingen des Alltages: Die Demut, sich selbst zurückzustellen, macht den Weg frei. Sie macht in uns Platz für den Christus. Und dadurch erst entsteht Freude, die eine wirkliche Freude ist.
Lesungen zum 3. Adventsonntag:
Jes 61, 1–2a.10–11 / 1 Thess 5,16-24 / Joh 1, 6–8.19–28