
Ziemlich sicher kommt Ihnen das bekannt vor. Das Handy läutet, meine Mutter ist dran und sagt: „Wir fahren dann am Sonntag nach Bayern: Irgendjemand muss auf den Hund schauen“. Bis vor wenigen Jahren hatten meine Eltern so einen treuherzigen Freund und immer wenn sie verreist sind, dann stand neben der Obsorge um den Hund auch das Gießen der Pflanzen, das Öffnen der Post oder einfach das Nach-Dem-Rechten-Schauen an. Und natürlich meinte meine Mutter mit „Irgendjemand muss sich um den Hund kümmern“ nicht wirklich „irgendjemanden“ im allgemeinen Sinn: Es musste schon wer sein, dem sie Haus und Hund anvertraut. Der in ihrem Sinne handelt, der auch weiß, wo im Haus er das findet, was er zum Handeln braucht.
Gut möglich, dass solche Kriterien auch beim Mann, der in Jesu Parabel auf Reisen geht (Mt 25, 14-30), eine Rolle spielt. Natürlich sind Diener Untergebene, Sklaven vielleicht, aber im jüdisch geschulten Ohr der Jünger ist ein δοῦλος mehr als ein Befehlsempfänger. Diener oder Knechte sind im Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs die Propheten, die Könige und Fürsten, also jene, die im Sinne des eigentlichen Königs, die im Sinne Gottes sprechen oder handeln. Das ist jetzt auch schon das kennzeichnende Element der ersten beiden Diener: πιστός, vertrauenswürdig. Aber Vorsicht: Das ist kein Zustand, der von vornherein gegeben ist. Vor der ganzen Geschichte steht eine Handlung, die Tat des Herrn: Er vertraut dem Diener. So ähnlich wie meine Eltern zunächst mir vertrauten bevor sie mir Haus und Hund überließen.
Und hier zeigt sich das Problem mit dem 3. Diener. Objektiv hat er nichts falsch gemacht: Silber zu vergraben ist für die Antike die sicherste Art der Aufbewahrung. Aber er schätzt die eigene Beziehung zu seinem Herrn offenbar radikal anders ein als dieser sie empfunden hat: streng, habgierig, vielleicht ein bisschen verschlagen: Das sind die Charaktereigenschaften, die der Sklave als typisch empfindet. Und die ihm Angst machen. Diese Meinung über seinen Herrn zu haben ist die der Geschichte vorausgehende Tat des Dieners. Und sie steht in krassem Widerspruch zur Haltung des Zutrauens, das der Herr ihm gegenüber hat. Bei seiner Rückkehr wird dem Herrn dieser Widerspruch klar. Und er ist enttäuscht.
(Ungefähr so, wie wenn ich den Hund nur kurz zu fressen gegeben hätte und ihn sonst in einer Kammer eingesperrt gelassen hätte).
Liebe Brüder und Schwestern: Meine Aufgabe war relativ einfach. Und schlimmstenfalls wäre ein anderer – etwa mein Bruder – eingesprungen. Aber das Gleichnis von den Talenten – Silbergeld – handelt nicht von einfachen Dingen des Alltags. Der verreisende Mann – so sagt es Jesus durch das Bildwort – ist er selber: Er der am Ende zurückkommt. Und τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῦ ist nicht nur abstrakt sein ganzer Besitz – wie etwa bei jemandem, der sein Unternehmen dem Kind anvertraut und übergibt. τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῦ meint „alles, worüber er verfügt“. Was ist das, worüber der Menschensohn verfügt. Er hat ja nichts, nicht einmal einen Platz zum Schlafen. Was der Menschensohn hat und was er den Jüngern anvertraut, ist das Reich Gottes. Und jetzt wird es herausfordernd für uns: Denn die Frage, die sich den Jüngern wie auch uns heute stellt, ist: was machen wir damit? Arbeiten wir mit dem Anvertrauten? Riskieren wir die Pleite? Geben wir die Ankündigung des Reiches Gottes weiter? Manchmal zögern wir, oder? Die Parabel jedenfalls ist einfach Erinnerung: Ihr könnt alles tun – auch scheitern. Nur nichts zu tun wäre fatal. Nach einer griechischen Fabel hatte ein Geizhals seinen Schatz vor der Stadt im Wald vergraben, damit er ihm nicht geraubt werden könne. Jeden Tag besuchte der Geizhals den Ort, um sich zu vergewissern, dass das Geld noch da ist. Natürlich wurde er heimlich beobachtet und der Schatz gestohlen. Verzweifelt und vergrämt erzählt er einem Freund sein Schicksal. Und dieser antwortet ihm: Wenn du den Schatz eh nur hattest, um einmal am Tag zu seinem Versteck zu pilgern und dich einsam über dein Besitztum zu freuen, kannst du dort genauso gut einen Stein vergraben. Der erfüllt denselben Zweck.
„Irgendjemand muss auf den Hund schauen“: Liebe Brüder und Schwestern: Wenn wir bei alltäglichen Dingen unseren Verwandten entgegenkommen, um wie viel mehr müsste sich jeder von uns beim höchsten Gut anstrengen. Das höchste Gut des Christen ist das Evangelium, die Frohe Botschaft. In der Erde vergraben nützt sie niemandem.
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Lesungen 33. Sonntag im Jahreskreis
Spr 31, 10–13.19–20.30–31 / 1 Thess 5, 1–6 / Mt 25, 14–30