Auferstehung ist Wirklichkeit und kein Wunschdenken. Auferstehung ist Aufstehen und Hinlaufen. Auferstehung ist, sich retten zu lassen. Eine Predigt in der Osternacht Liebe Brüder und Schwestern, „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,6), sagen die beiden Engel
Auferstehung ist Wirklichkeit und kein Wunschdenken. Auferstehung ist Aufstehen und Hinlaufen. Auferstehung ist, sich retten zu lassen. Eine Predigt in der Osternacht
Liebe Brüder und Schwestern, „Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden“ (Lk 24,6), sagen die beiden Engel in leuchtenden Gewändern zu den ratlosen Frauen. Und Ratlosigkeit ist nicht nur verständlich, sie ist mit einem einigermaßen gesunden Hausverstand auch fast geboten. „Was ist jetzt noch?“, könnten wir unausgesprochen dazu-hören, obwohl es nicht dasteht.
Im Lukasevangelium ist es eine ganze Frauengruppe, die zum Grab aufgebrochen war. Und diese Frauen tun nichts anderes, als dass sie feststellen, was ist. Ohne die Dinge zu interpretieren. Sie erklären nichts. Die Frauen haben ihn erlebt, den Herrn, wie er Menschen geheilt und begeistert, also mit Geist erfüllt hat. Sie haben mit-erlebt, dass und wie er gestorben ist, und sie waren ziemlich sicher an jener Stelle dabei, wo er begraben worden ist. Jetzt ist das Grab leer. Und sie sind ratlos. Sie haben – so könnten wir sagen – keine Interpretation der Dinge. Oder für uns heutige Menschen schärfer formuliert: Die Frauen am Ostergrab sind das Gegenteil von Menschen, die immer schon alles gewusst haben, die es besser wissen als die anderen. Glaube beginnt mit dem einfachen Wahrnehmen dessen, was ist. Dieses Prinzip ist der Grund, warum der Evangelist sehr detailliert beschreibt, was die Frauengruppe tut.
„Petrus aber stand auf und lief zum Grab“ (Lk 24,12). Der Apostelfürst erweist sich einmal mehr als ein Champion der Hoffnung. Seine Hoffnung ist aber kein Wunschdenken. Petrus gehört nicht zu den Menschen, die sich einfach einreden könnten, dass Ungemach schon irgendwie gut werden wird. Er ist noch nicht einmal ein Optimist. Dafür ist der Fischer aus Galiläa viel zu bodenständig. Die Hoffnung des Petrus ist anders. Die Hoffnung des Petrus besteht darin, dass er es für möglich hält, dass da noch ein Plus, ein Mehr ist; Die petrinische Hoffnung besteht darin, dass mehr möglich sein könnte, als er sieht, hört oder denken kann. Es ist dieselbe Hoffnung, die ihn am Anfang dazu gebracht hatte, die Netze am Morgen nocheinmal auszuwerfen, obwohl er die ganze Nacht nichts gefangen hatte (Vgl. Lk 5,5). Es ist dieselbe Hoffnung, die ihn aufs Wasser springen lässt, obwohl ihm ziemlich sicher klar war, dass das keine besonders gute Idee ist (Vgl. Mt 14,22ff). Es ist diese Hoffnung, die ihn dazu führt zu sagen „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Noch einmal: Das ist etwas anderes als Wunschdenken. Der Unterschied zwischen der Hoffnung des Petrus und dem Wunschdenken eines unverbesserlichen Optimisten ist, dass es beim Wunschdenker auf die Kraft des eigenen Wünschens ankommt. Petrus hingegen hat keine Kraft mehr die Welt zu verändern. Derjenige, der die Kraft hatte, die Welt zu verändern, ist Jesus, und diesen hat er kurz zuvor begraben. Alles, was Petrus am Ostermorgen bleibt, ist aufzustehen und hinzulaufen.
Petrus mahnt uns, mehr für möglich zu halten als wir sehen
In diesem Offenbleiben für die Möglichkeit eines göttlichen Mehr ist der Apostelfürst ein Vorbild bis heute. Für alle Gläubigen. Es ist eine der Funktionen seiner Nachfolger: Natürlich ist die erste Aufgabe des Petrusamtes die Sorge um die Einheit der Kirche. Gleich danach kommt aber dieses Aufstehen am Ostertag. Unabhängig von ihrem persönlichen Charakter sind des Petrus Nachfolger in dieser Perspektive zu verstehen. Das berühmte „Weide die Schafe“ am Ende des Joh meint nichts anderes als dass der Auftrag des Petrus darin besteht, uns zu erinnern, immer noch mehr für möglich zu halten als der Mensch gerade sieht, hört oder denkt.
Ein dritter Gedanke: Was wirklich bei der Auferstehung Jesu geschehen ist, lässt der Evangelist Lukas aus. Er erzählt das Begräbnis und gleich im Anschluss daran, dass die Frauen am leeren Grab stehen. Er kann es uns schlicht nicht beschreiben. Niemand kann Auferstehung erklären genausowenig wie irgendwer Gott begegnen kann. Deshalb sollten wir nicht zu abfällig über die Apostel urteilen, wenn sie die Erzählung der Frauen für „Geschwätz“ halten (Lk 24,11). Wir tun das vielfach bis heute. Auch viele Christen. Die alljährlich wiederkehrenden Diskussionen darüber, ob das Grab wirklich leer war oder ob die Auferstehung Jesu vielleicht eine andere, nicht ganz historische Wirklichkeit beschreiben würde, offenbart nichts anderes als die Hilflosigkeit der menschlichen Vorstellungskraft. Selbst der Evangelist Lukas – ganz ohne Zweifel einer der stärksten Intellektuellen unter den frühen Christen – lässt die Beschreibung aus, weil ihr keine Beschreibung gerecht werden würde. Ist das verdächtig? Ich würde sagen Nein: Man muss Gott nicht sehen, um zu wissen, dass er einen rettet. Das ist dieselbe Erfahrung der Israeliten, die am Roten Meer singen „weil er hoch und erhaben ist“ (Vgl. Ex 15,1). Der entscheidende Punkt ist nicht, dass wir dabei zuschauen, wie Gott arbeitet. Der entscheidende Punkt ist, dass wir zulassen und akzeptieren, dass Gott an uns arbeitet. Dass er uns rettet.
Mit unseren Schwierigkeiten zu seinem Kreuz drängen
Es gab gestern am Karfreitag in unserer Franziskanerkirche einen kurzen Augenblick, der mich blitzschnell getroffen und betroffen gemacht hat. Bei der Kreuzverehrung der Karfreitagsliturgie sind die Menschen – sind Sie alle – mehr oder weniger geordnet nach vorne gekommen. Zwischenzeitlich war sogar ein bisschen Gedränge. Vom Stuhl vorne aus erblickte ich einen Mann mit einer verdunkelten Brille. Ich kenne ihn nicht. Ich weiß auch nichts von ihm. Ich weiß gar nicht, ob er wenig sieht oder gar nichts sieht. Oder ob er sich einfach stützte. Das ist aber auch nicht so wichtig. Jedenfalls ließ er sich von einem Begleiter durch die Menge führen. Er wollte zum Kreuz vor dem Altar. Ich saß da hinten und dachte „Schau an, Herr, wie die Menschen zu Deinem Kreuz drängen“. Sogar wenn jemand wenig oder vielleicht gar nichts sehen kann, strengt er sich an, nach vor, zu deinem Kreuz zu kommen. Warum?, dachte ich mir. Als der Mann vor dem Kreuz stand, machte er ein Kreuzzeichen und bedeutete seinem Begleiter, dass er wieder gehen möchte. Gleichzeitig breitete sich ein erleichtertes Lächeln über sein Gesicht aus. Ich hoffe, Sie haben es nicht gemerkt, aber mir kamen fast die Tränen. Das ist das Ostererlebnis der Jünger: Wir spüren an der lächelnden Erleichterung wie die Freude Leben erweckt. Das ist der Paulus, liebe Sr. & Br., den wir in der Epistel gehört haben: „Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden“ (Röm 6,8) meint nicht nur die Ewige Freude im nächsten Leben. Das auch. Paulus erklärt uns eine Hoffnung für dieses Leben, nämlich, dass wir mit unseren Kreuzen zum Herrn und seinem Kreuz hindrängen können. Wir sollen hinlaufen zum Christus: Mit unseren Leiden, den Schwierigkeiten, den Kriegen, den Alltagsproblemen, der Einsamkeit. Weil er, der Christus, von allem, was abgetötet ist, die Endgültigkeit wegnimmt.
Mit den Frauen am Grab auch unsere Wirklichkeit anzunehmen, wie sie ist, ist Liebe (1). Wie Petrus sich aufmachen, weil es mehr gibt als das, was Menschen verstehen können, ist Hoffnung (2). Und mit unseren großen und kleinen Kreuzen zu ihm und seinem Kreuz zu drängen, das ist Glaube (3).
Dass der Auferstandene alles Leid verwandelt, können wir bisweilen spüren. Es ist manchmal „zum Greifen“: jedesmal dann, wenn irgendwo die österliche Freude einen Menschen ganz erfasst. Wie jenen Mann gestern hier in Salzburg vor dem Kreuz. Das sollen wir feiern. Dafür dürfen wir dankbar sein. Denn ein solches Lächeln ist unser Ton, mit dem wir einstimmen in den großen Chor der Engel, die im Himmel jubeln, mit dem wir einstimmen in den großen Chor der Gläubigen, die uns vorausgegangen sind zu Ewigen Freude:
Der Herr ist auferstanden. Er ist wahrhaft auferstanden. Halleluja. Amen.
Der Apostel Paulus schreibt den Römern von der Hoffnung, welche die ganze Schöpfung erfüllt. Das ist ein Ziel, das der Mensch nicht machen kann, zu dem er aber beitragen kann. Als Pilger der Hoffnung. Fastenpredigt am 21. März 2025 in der Franziskanerkirche Graz.
Lesung: Röm 8,18-30
18 Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. 19 Denn die Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. 20 Gewiss, die Schöpfung ist der Nichtigkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat, auf Hoffnung hin: 21 Denn auch sie, die Schöpfung, soll von der Knechtschaft der Vergänglichkeit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. 23 Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. 24 Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? 25 Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. 26 So nimmt sich auch der Geist unserer Schwachheit an. Denn wir wissen nicht, was wir in rechter Weise beten sollen; der Geist selber tritt jedoch für uns ein mit unaussprechlichen Seufzern. 27 Der die Herzen erforscht, weiß, was die Absicht des Geistes ist. Denn er tritt so, wie Gott es will, für die Heiligen ein. 28 Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alles zum Guten gereicht, denen, die gemäß seinem Ratschluss berufen sind; 29 denn diejenigen, die er im Voraus erkannt hat, hat er auch im Voraus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt seines Sohnes teilzuhaben, damit dieser der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. 30 Die er aber vorausbestimmt hat, die hat er auch berufen, und die er berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht.
Hoffnung rettet Leben
Liebe Brüder & Schwestern, Wir können nicht sinnvoll über Hoffnung sprechen, ohne über „Hölle“ nachzudenken. Es ist wie bei den großen Filmstreifen: damit das Heldenhafte der Helden eindrücklicher erkennbar ist, verdeutlicht sich in der Geschichte zunächst eine schier unübersichtliche Menge an Gefahr, Rückschlägen oder Gewalt. Von der Hölle zu sprechen, zumal in einer Predigt, ist aus der Mode gekommen. In Zeitungen liest man zwar noch manchmal davon: als Redewendung oder literarischem Bild. Aber innerhalb der Kirche nicht. Grundsätzlich ist die Zurückhaltung angemessen: Zu oft in der Geschichte wurde mit Drohung von Höllenstrafen Schindluder getrieben, wurden eigene Absichten darin verpackt, indem man mit der jenseitigen Angst der Menschen ganz diesseitige Geschäfte zu machen versuchte. Zurecht sind wir heute vorsichtig mit dem Begriff der Hölle. Wir können aber auch feststellen: Ignorierendes Verschweigen ist vielleicht eine Spur zu vorsichtig. Denn wenn „Hölle“ der Zustand maximaler Ferne von Gott ist, ein Zustand der völligen Erstarrung im eigenen Ich bedeutet, dann ist sie nicht etwas, das eventuell als Strafe eintritt, wenn wir alle den Weg des Zeitlichen gegangen sein werden, sondern: Dann zeichnet sie sich vorher schon ab: im Handeln des Bösen; im Nichthandeln des Guten; im Erleben des Schrecklichen. In einem ländlichen Dorf eines europäischen Landes fliegen in den frühen Morgenstunden Dutzende Drohnen an und werfen Bomben ab. Kurz hernach rücken die Schergen der russischen Armee ein. Die Kämpfer erschießen Männer, vergewaltigen Frauen und entführen Kinder in das feindliche Russland: Was diese Kinder und viele andere Ukrainer erwartet, ist eine Vorahnung von Hölle.
Wenn der 35-jährige Jarden Bibas von blutrünstigen und frevlerischen Terroristen entführt wird, ein Jahr lang in unwürdigen Zuständen als Geisel gehalten und gefoltert wird; wenn er dann abgehungert vor einer johlenden Menge frei gelassen wird und erfährt, dass seine Frau Shiri längst vergewaltigt und ermordet wurde, genauso wie seine kleinen Kinder Kfir und Ariel: Dann können wir begründet davon ausgehen, dass sich der Abgrund, der sich im Innern dieses Mannes aufgetan hat, einem höllenartigen Zustand sehr ähnlich anfühlt. In einem europäischen Land steht ein Mensch vor dem Nichts. Er hat alles verloren hat oder sieht keine Perspektive mehr. Falls ein solcher Mensch unheilbar krank ist oder wenn sich einer in einer schier nicht bewältigbaren Verzweiflung befindet und dann beschließt, seinem Leben ein Ende zu setzen: Ist dieses existentielle alleingelassen-Sein nicht eine Vorahnung auf Hölle? „Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll“ (Röm 8,18), schreibt Paulus und wir sollten uns davor hüten, mit diesem Satz ein einfaches Hinweglächeln des Schlechten und Bösen zu versuchen. Wir können einem Opfer von Vergewaltigungen, welches auch noch Jahre nach dem Verbrechen immer wieder einmal in die Erinnerung der erlittenen Gewalt verfällt, wir können einer Frau, die den schrecklichen Moment neu durchlebt, den Schmerz spürt, den Atem riecht oder die Stimmen hört, nicht sagen „die gegenwärtigen Leiden bedeuten nichts im Vergleich zur künftigen Herrlichkeit“. Wir sollten das nicht, und Paulus hätte es ziemlich sicher auch nicht getan: Er weiß von den menschlichen Abgründen und deren Tiefe: Der Völkerapostel, der selber Verfolger gewesen war, der selber Täter war, ist auch nach der Konversion ein Getriebener geblieben: Sein „Stachel im Fleisch“ (2 Kor 12,7) ist – was immer er damit genau beschreiben wollte – jedenfalls nichts, das man wegerklären könnte. Seine Enttäuschung über Verräter oder falsche Freunde auch nicht. Paulus ist Realist: Sein Verweis auf die gegenwärtige Zeit ist nicht Zynismus. Es ist ein In-Erinnerung-Rufen, dass nichts, auch kein Leid, endgültig ist. Das ist keine oberflächliche Relativierung des Leidens, das ist eine Relativierung der Endgültigkeit, der zeitlichen Dauer des Leidens.
Foto: Gustave Doré via Wikimedia Commons
Paulus ist jemand, der Zeit seines Lebens die Wiederkunft Christi erwartet hat. Von der Wiederkunft des Herrn sprechen wir heute auch nicht mehr so gerne, weil uns modernen Menschen das Konzept nicht in den Kopf geht. Oder es nicht auf der Tagesordnung steht. Die Welt ist dermaßen voller Schlechtigkeiten, dass man keinen guten Gott annehmen darf, der die Welt zu einem guten Ende vollendet. Insofern ist der moderne Mensch der Ansicht, die Menschen müssten nicht nur selbst für Befreiung und Gerechtigkeit sorgen, sondern auch eine vollendete Gerechtigkeit & Freiheit schaffen. Weltanschauungen, die die endgültige Freiheit und Gerechtigkeit versprechen, verleiten die Menschen zu maßlosen Übergriffigkeiten. Das haben wir spätestens im 20. Jahrhundert leidvoll gelernt.
Paulus hingegen dachte anders, über das hinaus, was der Mensch zu schaffen imstande ist: Der einzige endgültige Zustand für uns Christen ist die Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Das ist nicht beschönigend gemeint, denn Paulus ist Realist wie überhaupt jeder christlicher Glaube wesenhaft realistisch bzw. realitätsbezogen sein muss. Gottes Wort ist Mensch geworden (Joh 1,14), d.h. es ist Wirklichkeit geworden. Und dieser Mensch wurde auf unerträgliche Weise von anderen Menschen gefoltert und ist am Kreuz gestorben.
Was wir heute und die Christen in Rom von Paulus zu hören bekommen, ist also nicht eine Einladung an den einzelnen Gläubigen, sich das Leid oder auch das Unrecht schön zu reden. Mit seinem Rückgriff auf die Schöpfungsgeschichte sagt er den machtverwöhnten Römern nichts anderes, als dass ihr eigenes Reich endlich ist. Sogar das Weltreich hat keine absolute Geltung.
„Unsere Welt ist kein Dauerzustand“
Der moderne Mensch, auch der moderne Christ (manchmal) möchte es nicht unbedingt zu laut hören: Aber unsere Welt ist kein ewiger Dauerzustand. Die Wesen und Dinge, aus denen diese Welt gemacht sind oder die diese Welt strukturieren, sind vergänglich. Es ist nicht der Mensch, der durch fortschreitende Formen von Gerechtigkeit das Leid, das Böse, die ganze Gewalt abzuschaffen vermag. Gott und nur Gott wird die Herrlichkeit offenbaren. Wobei der gebildete Jude Paulus mit Herrlichkeit die ungefilterte Anschauung, das ungehinderte Hinsehen auf Gott meint. In einem einzigen Fall ist diese Herrlichkeit bereits zutage getreten und historisch fassbar, nämlich in Jesus von Nazareth. Seine Jünger bezeugen, dass durch göttliches Eingreifen Verwandlung geschieht, sie bezeugen die Auferstehung: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut“ (Joh 1,14). Herrlichkeit ist also sozusagen die maximale Gottesnähe. Sie ist das Gegenteil von Hölle.
Eine Hoffnung auf einen gewandelten, sprich verherrlichten Zustand, dass alles, was Menschen in der Zwischenzeit getan oder unterlassen haben, was sie erfahren oder erlitten haben, im allgemeinen Strahlenkranz des Christus aufgeht. Der Zielpunkt unseres Daseins ist keine Reset-Taste, mit der die Schöpfung einfach neu gestartet würde, und danach halt auch jeder andere Mensch mit Adam & Eva durch den Garten läuft.
Eine Vollendung in Herrlichkeit ist gerecht und zwar umfänglich gerecht, wie Papst Benedikt XVI. in seiner Hoffnungs-Enzyklika darlegt: „Niemand und nichts bürgt dafür, dass nicht weiter der Zynismus der Macht, unter welche ideologischen Verbrämungen auch immer, die Welt beherrscht“ (Spe Salvi 42). Im menschlichen Anspruch der allgemeinen Welt-Rettung kommt der einzelne Mensch mit seinem Leid unter die Räder. Auch diese Einsicht gehört leider zum Realismus.
Wir müssen also schon davon ausgehen, dass die kosmologische Verheißung, die Paulus den Römern gegenüber darlegt, nicht nur eine von vielen Welterklärungen ist, sondern dass sie wiederum konkrete Auswirkungen auf den Einzelnen hat: Es ist im Großen und Ganzen eben nicht egal, wie es dem Kleinen und Unmündigen (Vgl. Mt 11,25) ergangen sein wird. Es ist nicht egal, ob jemand eine Mörderin, ein Dieb oder eine Lügnerin ist. Die Hoffnung auf eine vollendete Herrlichkeit ist auch die Hoffnung auf eine wirklich ausgleichende Gerechtigkeit. Wirklich ausgleichend ist sie nur, insofern sie eben nicht menschengemacht ist. An die Gerechtigkeit Gottes – das ist unbestrittener Konsens in allen Jahrtausenden jüdisch-christlicher Erfahrung – kann und wird kein menschliches Planen und keine menschliche Ideologie heranreichen, sei sie auch noch so ausgefeilt.
„Ein wirklicher Friede stellt sich zuallererst dem Leid entgegen“
Wir sehen das in diesen Monaten sehr deutlich vor Augen: „Frieden!“ tönt es von vielen Seiten in und an die Ukraine. Keine Waffen sollen geliefert werden, heißt es. Und das schnelle Wort vom Frieden löst eine gutgemeinte Sehnsucht aus. Die unerfüllt bleibt, insofern sie die Realität verdeckt. Die Alternative zu Waffenlieferungen ist nicht Friede. Die Alternative zu Waffenlieferung ist, dass Drohnen Dörfer bombardieren, Söldner Frauen vergewaltigen und kleine Kinder nach Russland verschleppt werden. Und zwar weiterhin. Ein wirklicher Friede geht über dieses Leid nicht hinweg. Ein wirklicher Friede stellt sich zuallererst diesem Leid entgegen.
Was wir Menschen trotz aller Anstrengung nicht auszugleichen vermögen, wird die göttliche Vollendung ausgleichen. Rettende Hoffnung ist also die Sehnsucht nach einem „Mehr“ als diese Welt und die Menschen, denen die Welt seit Anbeginn unterworfen ist, selber zu leisten vermag.
Vor diesem Hintergrund wird klar, dass das Gericht Gottes nicht eine Drohung sein soll. Das Gericht Gottes ist Gnade und Gerechtigkeit. Bloße Gnade würde in Gleichgültigkeit münden, ausschließliche Gerechtigkeit endet in einem inakzeptablen Zustande der Furcht. Das Gericht ist keine Drohung, das Gericht ist Reinigung. Und zwar eine Reinigung, die nicht erst eintritt, wenn man das Zeitliche gesegnet hat. Es ist eine Reinigung, die hier, in diesem Leben beginnt und derer jeder Mensch bedarf. Es kann Menschen geben, die in sich den Willen zu Wahrheit & Realismus und Absicht zur Liebe ausradiert haben. Das sind Menschen, die hauptsächlich durch und mit Lügen leben. Es sind Menschen, die nur mehr Hass empfinden. Das ist der einzige Zustand, in dem ein Mensch der Ansicht sein kann, dass er keinerlei Reinigung, keinerlei Umkehr, keinerlei μετάνοια bedarf (Vgl. Röm 2,4-5).
Die Annahme, dass es solche Menschen möglicherweise gibt, ist – denke ich – eine Alltagserfahrung. Solche Menschen kann es geben. „Das ist ein furchtbarer Gedanke, aber manche Gestalten gerade unserer Geschichte lassen solche Profile erkennen“, meint Benedikt XVI. (Spe Salvi 45) und stellt mit KKK 1033-1037 fest, dass ein solcher Zustand als „Hölle“ bezeichnet werden kann. Wir sind zurecht zurückhaltend mit der endgültigen Bewertung anderer Menschen, weil niemand von uns wirklich in jemand Anderen hineinschauen kann. „Der, der die Herzen erforscht“ (Röm 8,27) ist nur einer, nämlich Gott. Aber sollten wir nicht bei den Anzeichen dafür schon damit beginnen, dagegen anzurudern?
Der Zustand, in dem ein Leben mit Hass und Lüge, mit Leid und Gewalt verbrämt ist, ist ein unübersichtlicher Zustand. Das sind die „unaussprechlichen Seufzer“ (8,26), denen nur der Geist Gottes einen Sinn zu geben vermag. Besser wäre an dieser Bibelstelle eine eindeutig negativ besetzte Übersetzung gewesen. Dieses Wort στεναγμός ist ein unaussprechliches Stöhnen. Es gibt menschliche Dunkelheit, die wir nicht beschreiben können. Der Israeli Jarden Bibas wird überfallen, ein Jahr lang gefangen gehalten, dabei gequält und gefoltert. Und erst als er endlich freigelassen wird, erfährt er, dass jene, die er liebt, jene für die er gelebt hat längst dahingeschlachtet sind. Im Moment der Freilassung tut sich ein Abgrund auf, der dermaßen tief ist, dass keine menschlichen Worte mehr ausreichen. Jeder Versuch der Erklärung oder gar Relativierung muss als zynisch gewertet werden: Keine Politik, keine Maßnahme, auch kein Militärschlag rechtfertigt diese Morde.
Edvard Munch: Der Schrei, via Wikimedia Commons
Unser Generalminister, der Generalminister des Franziskanerordens hat am Josephi-Tag (25.3.2025) dazu aufgerufen, in diesem Jahr die anstehende Karfreitagskollekte – das ist die jährliche Spendensammlung für die Christen im Heiligen Land – besonders engagiert zu begleiten. Auf der Homepage des Ordens ist der Brief nachzulesen. Eine deutsche Arbeitsübersetzung findet sich auf der Homepage der Franziskanerprovinz Austria. Fr. Massimo Fusarelli warnt davor, dass der Krieg die christliche Präsenz im Heiligen Land auszulöschen droht. Er appelliert daran, dass die universale Weltkirche die Friedensarbeit der Franziskaner unterstützt. Und er sagt „Machen wir uns den Schrei der Christen zu eigen“. Eine Welt, die einem Hass versinkt, welcher jahrzehntelang gepflegt und gefördert worden ist, kann nicht einmal mehr schreien. Wir können den Appell ruhig erweitert verstehen. Es gilt für die Christen im Heiligen Land, es gilt für die verfolgten Christen überall auf der Welt, aber es gilt auch über die Christen hinaus für Menschen wie Jarden Bibas: Die erste Form der Solidarität ist, dass wir dem unaussprechlichen Stöhnen eine Stimme geben. Dass wir uns den Schrei der Gequälten zu eigen machen.
„Die er [Gott] aber vorausbestimmt hat, die hat er auch berufen, und die er berufen hat, die hat er auch gerecht gemacht; die er aber gerecht gemacht hat, die hat er auch verherrlicht“ (Röm 8,30). Liebe Sr. & Br., als ich das erste Mal diesen Satz gelesen habe, kam mir unwillkürlich die Frage, ob es denn auch welche gibt, die mit diesem Satz nicht gemeint sind. Ob Paulus Menschen kennt, die eventuell aus dem Heilsplan hinausgefallen sind. Und wer diese Menschen eventuell sind. Natürlich ist so etwas nicht gemeint. Der Völkerapostel wäre wohl der Allerletzte gewesen, der davon ausginge, dass Gott jemanden erschafft, den er dann a priori zugrunde gehen lässt. Das Entscheidende ist diese Verkettung der Handlungen Gottes. Die Christen, also jene, die sich zu Christus bekennen, die auf Christus getauft sind, gehören zusammen. Benedikt XVI. meint „Keiner lebt allein.“ „Keiner sündigt allein.“ „Unsere Leben interagieren miteinander.“ (Spe Salvi 48) Und Paulus hängt diese Kette jetzt direkt an Gott an (Vgl. Röm 14,7). Wir bilden nicht nur eine Gemeinschaft untereinander. Wir bilden auch eine Gemeinschaft mit Gott. Und das hat wiederum Auswirkungen auf den Einzelnen.
„Vorausbestimmt“ heißt „gottgewollt“. Nicht alles, was ich bin oder gar tue und unterlasse, ist gottgewollt. Aber mein Dasein ist es. Und das bedeutet: Niemand vegetiert allein. Existentielle Verlassenheit ist einer der größeren Abgründe unserer Zeit. Wir müssen nicht in die Ukraine oder nach Nahost fahren, um diesen Abgrund zu finden. Die Verzweifelten, die, die keine Perspektive mehr haben und deswegen ihr Dasein aufgeben – die finden wir vor unserer Haustür zu Genüge. So wie der reiche Mann im Bildwort Jesu, den armen Lazarus gefunden hätte, wenn er auch nur einmal hingeschaut hätte (Vgl. Lk 16,19-31). Die existentielle Einsamkeit entsteht im Leid und sie erfasst nach und nach den ganzen Menschen, der Leid erfahren hat. Die vieldiskutierte Euthanasie ist nur das letzte Siegel der existentiellen Vereinsamung. Es ist eine Vereinsamung, die unserem Paulus widerspricht: „Du bist nicht vorausbestimmt“, „du bist nicht gottgewollt“, „niemand mag oder sieht dich“.
„Hoffnung schenken bedeutet, Möglichkeiten zu suchen, dass ein Mensch im Abgrund Ja sagen lernt zu sich selbst.“
Ich habe das erlebt, wie es ist, mit einem Menschen, der nach der Erfahrung schwerer Gewalt mit sog. Flashbacks kämpft. Ich habe erlebt, wie es ist, mit einer Frau über den Münchner Marienplatz zu gehen, eben noch über Moden gesprochen zu haben und sie dann scheinbar grundlos – getriggert von einem Geruch – zu verlieren. Mitten im Gespräch wurden die Sätze weniger. Dann wurden ihre Sätze unverständlich. Die Augen matt und abwesend. Abseits der Menschenmassen sind wir im leeren Alten Hof auf einer Parkbank gesessen und ich konnte nur zugesehen. Übrig blieb ein Wimmern. Unerreichbar für mich. In sich gefangen im neu Durchleben des längst Vergangenen. Mir blieb nur übrig, ohnmächtig zu warten: 5 Minuten, 15 Minuten, 27 Minuten. Dann wurde die Frau wieder ansprechbar. Seither weiß ich, was Paulus meint mit dem unaussprechlichen Stöhnen. In solchen Momenten – so sagt die Frau – fehlt Dir jede Begründung dafür, dass Du existierst. Dass Du da bist. Einer solchen Frau, liebe Br. & Sr., kann man nicht einfach sagen, die Leiden der gegenwärtigen Zeit bedeuten nichts im Vergleich zur Herrlichkeit, die offenbar werden soll. Aber wenn wir Hoffnung geben wollen, dann sollten wir Wege suchen, solchen Menschen ein Licht zu schenken. Hoffnung ist das Ja-sagen zur eigenen Existenz. Und da haben wir jetzt, wenn wir so wollen, einen moralischen Imperativ aus unserer Römerbrief-Stelle, der uns Christen wirklich aufgetragen ist: Hoffnung schenken bedeutet, Möglichkeiten zu suchen, dass ein Mensch im Abgrund Ja sagen lernt zu sich selbst. Hoffnung schenken heißt, niemanden in der existentiellen Einsamkeit zurückzulassen und uns den Schrei der Gequälten zu eigen zu machen. Hoffnung schenken heißt zu bezeugen, dass es eine größere Gerechtigkeit gibt als Menschen selber zu leisten vermögen. Das alles rettet unter Umständen Leben. Es bedeutet, „Pilger der Hoffnung“ zu sein. Amen. (mtz)
Inwiefern die biblische Königin Esther ziemlich gut in unsere Zeit passen würde: Glaube lässt sich nicht aberziehen. Gedanken zu Est 4,17k-7. (k) Auch die Königin Ester wurde von Todesangst ergriffen und suchte Zuflucht beim Herrn. Sie legte ihre prächtigen Gewänder ab
Inwiefern die biblische Königin Esther ziemlich gut in unsere Zeit passen würde: Glaube lässt sich nicht aberziehen. Gedanken zu Est 4,17k-7.
(k) Auch die Königin Ester wurde von Todesangst ergriffen und suchte Zuflucht beim Herrn. Sie legte ihre prächtigen Gewänder ab und zog die Kleider der Notzeit und Trauer an. Statt der kostbaren Salben tat sie Asche und Staub auf ihr Haupt, vernachlässigte ihren Körper, und wo sie sonst ihren prunkvollen Schmuck trug, hingen jetzt ihre Haare in Strähnen herab. Und sie betete zum Herrn, dem Gott Israels: (l) Mein Herr, unser König, du bist der Alleinzige. Hilf mir! Denn ich bin hier einzig und allein und habe keinen Helfer außer dir; die Gefahr steht greifbar vor mir.
(m) Von Kindheit an habe ich in meiner Familie und meinem Stamm gehört, dass du, Herr, Israel aus allen Völkern erwählt hast; du hast dir unsere Väter aus allen ihren Vorfahren als deinen ewigen Erbbesitz ausgesucht und hast an ihnen gehandelt, wie du es versprochen hattest. (n) Wir aber haben uns gegen dich verfehlt und du hast uns unseren Feinden ausgeliefert, weil wir ihre Götter verehrt haben. Du bist gerecht, Herr. (o) Jetzt aber ist es unseren Feinden nicht mehr genug, uns grausam zu unterjochen, sondern sie haben ihre Hände zum Schwur auf die Hände ihrer Götterbilder gelegt, dein Versprechen zu vereiteln, deinen Erbbesitz zu vernichten, den Mund derer, die dich loben, verstummen zu lassen und das Licht deines Tempels und das Feuer auf deinem Altar auszulöschen. (p) Stattdessen wollen sie den Heiden den Mund öffnen, damit sie ihre nichtigen Götzen preisen und auf ewige Zeiten einen sterblichen König verherrlichen. (q) Überlass dein Zepter, Herr, nicht den nichtigen Götzen! Man soll nicht höhnisch über unseren Sturz lachen. Lass ihre Pläne sich gegen sie selbst kehren; den aber, der all das gegen uns veranlasst hat, mach zum warnenden Beispiel! (r) Denk an uns, Herr! Offenbare dich in der Zeit unserer Not und gib mir Mut, König der Götter und Herrscher über alle Mächte! (s) Leg mir in Gegenwart des Löwen die passenden Worte in den Mund und stimm sein Herz um, damit er unseren Feind hasst und ihn und seine Gesinnungsgenossen vernichtet! (t) Uns aber rette mit deiner Hand! Hilf mir, denn ich bin allein und habe niemand außer dir, o Herr!
(u) Du kennst alles. Du weißt auch, dass ich den Prunk der Heiden hasse und das Bett eines Unbeschnittenen und Fremden verabscheue. (v) Du weißt, dass ich das Zeichen meiner Würde verabscheue und es an den Tagen meines öffentlichen Auftretens nur unter Zwang auf dem Kopf trage. (w) Ich verabscheue es wie die Tücher zur Zeit meiner Regel und trage es nicht an den Tagen, an denen ich meine Ruhe habe. (x) Deine Magd hat nicht am Tisch Hamans gegessen, ich habe keinem königlichen Gelage durch meine Anwesenheit Glanz verliehen und habe keinen Opferwein getrunken. (y) Seit deine Magd hierherkam, bist du für sie der einzige Grund, sich zu freuen, Herr, du Gott Abrahams. (z) Gott, du hast Macht über alle: Erhöre das Flehen der Verzweifelten und befrei uns aus der Hand der Bösen! Befrei mich von meinen Ängsten!
Esther soll niemanden merken lassen, wo sie herkommt.
Die Geschichte von Königin Esther könnte die Geschichte vieler junger Menschen im 21. Jahrhundert sein: Als ganz junger Frau werden ihr Identität und Glaube sozusagen „aberzogen“: Sie soll den Glauben nicht zeigen, sie soll niemanden merken lassen, woher sie kommt. Sagt ausgerechnet ihr Vormund, der fromme Jude Mordechai, der Beamter am heidnischen Hof ist. Er will, dass die junge Frau Karriere macht und Ansehen gewinnt, dass sie Königin wird. Das wird sie auch, und sie fügt sich in ein durch und durch säkulares Machtgefüge am Hof des Artaxerxes ein. Und als der säkulare Staat im Antisemitismus versinkt, ist es dann aber wieder Mordechai, der plötzlich möchte, dass sich Esther bekennt und eingreift. Das ist gefährlich: Eine solche Einmischung könnte die Königin das Leben kosten. Sie muss abwägen: Versucht sie den mordlüsternden Antisemiten aufzuhalten oder schaut sie auf das, was sie sich erarbeitet hat?
Sie entscheidet sich für den gefährlichen Rettungsversuch: das ist die Notlage, die „Todesangst“ (Est 4,17k). Das biblische Buch kommt ohne Gott aus. Er wird nicht genannt und tritt nie auf: Die beiden Gebete von Esther (Est 4,17k-z) und zuvor jenes von Mordechai (Est 4,17a-i) sind griechische Einschübe, aber obschon es die hebräische Vorlage nicht ausdrücklich beschreibt, ist auch dort die Haltung der Frau eine betende. Was in jedem Fall klar ist: Angesichts der Frage nach der eigenen Existenz bricht die Beziehung zu Gott auf: „Ich bin allein und habe niemand außer dir, oh Herr“ (Est 4,17t). Dieses Vertrauen kann sie eigentlich gar nicht haben, wenn man ihre Lebensgeschichte bedenkt. Sie hat nie erfahren, dass Gott jemand ist, der einen beschützt. Ihre Welt besteht aus den Götzen einer säkularen Königsherrschaft, in der Schönheit, Machtspiel und zwischenmenschliche Taktik gefragt sind.
Glaube an Gott hängt nicht von der Frage ab, ob er tradiert wird.
Wie in modernen Ländern unserer Zeit, in denen beispielsweise das Christentum für Generationen als überholt aberzogen wurde. Königin Esther ist ein Beispiel, dass der Glaube an Gott nicht zwingend davon abhängt, ob er tradiert und gepflegt wird. Gott ist da, auch wenn er jahrelang nicht angesprochen wurde, wenn er dauerhaft nicht gepriesen wurde, wenn die Menschen seinen Namen nicht mehr aussprechen. Er ist das und ein Mensch weiß, dass er da ist.
Jetzt kann man sagen, dass das ein altes Muster ist: In Todesangst klammern sich die Menschen an gute Geschichten: Aber das Gebet der Esther verdeutlicht, dass sie sich nicht an irgendeine Religion klammert. Denn diese „gute Geschichte“ kann sie gar nicht mehr glauben. Sie wurde ihr ja aberzogen. Esther betet, weil der Anruf von Gott, das Wiederaufnehmen einer Beziehung offensichtlich existentiell ist: „Du bist der Einzige“ (4,17l) und man hört das Glaubensbekenntnis aus Dtn 6 heraus: Der Gott Israels ist nicht einer der vielen Götzen. Er ist keine Trostgeschichte. Er ist der einzige Gott.
Merkmal des jüdischen Gottes ist es, dass nicht die Menschen ihn gnädig stimmen, sondern dass er sich den Menschen verpflichtet hat.
Du hast Israel aus allen Völkern erwählt (4,17m) und „als deinen Erbbesitz ausgesucht“ (4,17m): Das Alleinstellungsmerkmal des jüdischen Gottes ist, dass nicht die Menschen ihn anbeten und gnädig stimmen, sondern dass er sich den Menschen verpflichtet hat. Abraham hatte das erfahren. Es ist die Erfahrung von Jona. Und für uns Christen ist es letztlich Christus am Kreuz. Diese Selbstverpflichtung Gottes fordert Esther in ihrem Appell nun ein. Sie tut das im unerklärbaren Vertrauen darauf, dass er nicht nur irgendwie da ist oder dass nicht nur irgendwie alles einen Sinn hat, sondern dass ihr dieser Gott konkret in der spezifischen Situation hilft: dass er ihr den Mut gibt (4,17r) und die passenden Worte (4,17s), um vor dem weltlichen Herrscher zu bestehen. Er soll quasi ihre Rede schreiben. Königin Esther führt uns vor Augen, dass auch der heidnische Großkönig, der gottgleiche Machthaber im Grunde unter dem Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs steht. Das ist der Sinn dieses Gebetes.
Gläubige Menschen brauchen vor allen Säkularisierungsthesen nicht zu resignieren: In Christus ist dieser Gott Mensch geworden. Gott hat sich mit dem Kreuzesopfer selbst verpflichtet, jene, die zu ihm gehören, nicht zugrunde gehen zu lassen. Das ist ein unerschütterlicher Bundesschluss. Das ist der Grund, warum wir beten und warum wir darauf vertrauen, dass wir von Gott, der gut ist, erhört werden (Vgl. Mt 7,11).
Genesis 4,1-15.25 1 Adam erkannte Eva, seine Frau;sie wurde schwanger und gebar Kain.Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben.2 Sie gebar ein zweites Mal,nämlich Abel, seinen Bruder.Abel wurde Schafhirtund Kain Ackerbauer.3 Nach einiger Zeit brachte Kaindem Herrn eine Gabe von den
1 Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben. 2 Sie gebar ein zweites Mal, nämlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer. 3 Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn eine Gabe von den Früchten des Erdbodens dar; 4 auch Abel brachte eine dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und seine Gabe, 5 aber auf Kain und seine Gabe schaute er nicht. Da überlief es Kain ganz heiß und sein Blick senkte sich. 6 Der Herr sprach zu Kain: Warum überläuft es dich heiß und warum senkt sich dein Blick? 7 Ist es nicht so: Wenn du gut handelst, darfst du aufblicken; wenn du nicht gut handelst, lauert an der Tür die Sünde. Sie hat Verlangen nach dir, doch du sollst über sie herrschen. 8 Da redete Kain mit Abel, seinem Bruder. Als sie auf dem Feld waren, erhob sich Kain gegen Abel, seinen Bruder, und tötete ihn. 9 Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder? Er entgegnete: Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders? 10 Der Herr sprach: Was hast du getan? Das Blut deines Bruders erhebt seine Stimme und schreit zu mir vom Erdboden. 11 So bist du jetzt verflucht, verbannt vom Erdboden, der seinen Mund aufgesperrt hat, um aus deiner Hand das Blut deines Bruders aufzunehmen. 12 Wenn du den Erdboden bearbeitest, wird er dir keinen Ertrag mehr bringen. Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein. 13 Kain antwortete dem Herrn: Zu groß ist meine Schuld, als dass ich sie tragen könnte. 14 Siehe, du hast mich heute vom Erdboden vertrieben und ich muss mich vor deinem Angesicht verbergen; rastlos und ruhelos werde ich auf der Erde sein und jeder, der mich findet, wird mich töten. 15 Der Herr aber sprach zu ihm: Darum soll jeder, der Kain tötet, siebenfacher Rache verfallen. Darauf machte der Herr dem Kain ein Zeichen, damit ihn keiner erschlage, der ihn finde. 25 Adam erkannte noch einmal seine Frau. Sie gebar einen Sohn und gab ihm den Namen Set, Setzling. Denn sie sagte: Gott setzte mir einen anderen Nachkommen anstelle Abels, weil Kain ihn getötet hat.
Der seraphische Vater Franziskus, also unser Ordensgründer, ermahnt die Brüder einmal: „Wer immer also seinen Bruder um des Guten willen beneidet, das der Herr in ihm redet und wirkt, der zielt ab auf die Sünde der Gotteslästerung, weil er den Allerhöchsten selbst beneidet, der jegliches Gute redet und wirkt“ (Erm 8). Das ist eine zunächst bemerkenswerte Überlegung, die einen auch ein bisschen ernüchtert: Wenn etwas Gutes geschieht, wenn jemand etwas tut, das gut ist, dann ist es nicht der betreffende Mensch, der es tut, sondern Gott. Franziskus schreibt alles Gute dem Allmächtigen zu und alles Ungute sich selbst. Teilt man diesen Grundsatz einmal, dann wird klar, dass der Neid – auch in seinen kleinen Formen – eine Art Beleidigung Gottes ist.
Das Problem des Kain scheint genau dasselbe zu sein: Er sieht in Abel einen Bevorzugten. Und dieses Gefühl breitet sich in ihm aus. Es nimmt von ihm Besitz. Nach und nach wächst es an bis es ihn ganz erfasst. Folge: Gottesferne. Die Keniter – Abkömmlinge von Kain – sehen JHWH nur mehr von der Ferne. Immerhin sehen sie ihn noch. Kain wird nicht ausgelöscht.
Etwas gut sein lassen zu können ist das Mindeste, das wir alle tun können.
Wir Christen sollten uns nicht zu sicher fühlen: Emotionen oder Haltungen, die uns erfassen und uns irgendwann ganz einnehmen, gibt es bis heute in allen Menschen. Der entscheidende Punkt ist, ob wir im anderen Menschen – gläubig oder nicht gläubig – auch das Gute wahrnehmen und es gut sein lassen können. Zwischendurch etwas gut sein lassen zu können, ist die Mindeststufe an Leistung, zu der wir alle fähig sein sollten. Jeder Mensch tut irgendwo irgendetwas, das gut ist. Und es ist eigentlich Gott, der es durch diesen Menschen bewirkt. (mtz)
Unmittelbar nach dem Geburtsfest des Herrn legt die Kirche das heutige „Fest der Heiligen Familie“ und das ist auch logisch: Wir hören in diesen Wochen jene Evangelienabschnitte, in denen es um die Kindheit Jesu geht. Wie viele andere Menschen auch,
Unmittelbar nach dem Geburtsfest des Herrn legt die Kirche das heutige „Fest der Heiligen Familie“ und das ist auch logisch: Wir hören in diesen Wochen jene Evangelienabschnitte, in denen es um die Kindheit Jesu geht.
Wie viele andere Menschen auch, so wird der junge Jesus von seinen Eltern aufgezogen, für sein Leben vorbereitet. Das ist ein Gedankengang, den wir heute nicht mehr so stark wahrnehmen: Eine Familie mit ihren Beziehungsgeflechten ist wesentlich für ein Kind. Und sie ist – insofern sie leider nicht jedem Menschen gegeben ist – ein Geschenk. Für den protestantischen Theologen Dietrich Bonhöffer (der gegen die Nationalsozialisten sein Leben gelassen hat) war sie noch mehr: Familie, so sagt er sinngemäß einmal, ist eine mit göttlichem Mandat ausgestattete Autorität: „Die Eltern sind für das Kind Gottes Stellvertreter als seine Erzieher“. Als solche können wir Maria und Josef verstehen: Ihre Rolle ist es, den jungen Buben bis zu dessen Eigenständigkeit zu bringen.
Es gilt aber auch die Einsicht, dass heute das Fest der Heiligen Familie auch einen Beigeschmack hat: Für viele Menschen bei uns sind weihnachtliche Familienzeiten mit Stress, manchmal auch mit Ärger oder Streit verbunden. Oder noch radikaler: Viele Menschen spüren, dass sie Familie zwar brauchen würden, sie aber nicht haben. Oder dass ihre Familie im Streit zerbricht. Was also gibt es da zu feiern? Müssen wir uns damit abfinden, dass wir einfach nicht so gut sind wie die heilige Familie?
Natürlich nicht: Die Heilige Familie ist nicht deswegen heilig, weil sie besonders perfekt, vollkommen liebevoll oder ähnliches gewesen ist. Ob das so gewesen ist, wissen wir schlicht und einfach nicht. Die entsprechenden Texte, in denen solches erzählt werden, sind stark legendenhaft und nicht zu Unrecht nicht Teil unserer Bibel.
Wir wissen nicht, ob Josef & Maria immer alles richtig gemacht haben. Was wir aber wissen, ist, dass sie in einigen wenigen Punkten ganz sicher das Richtige getan haben. Eigentlich in einem einzigen: Sie sind bei der Verheißung geblieben. Es ist das Kind, durch das diese Familie zur heiligen Familie wird.
Das ist schon mehr als Menschen gewöhnlich imstande sind zu leisten: Marias Ja liegt Monate zurück. Das Kind ist da, der Engel längst nicht mehr. Und Josef muss die Kraft für seine Überzeugung aus dem ableiten, was er träumt. Das hätte auch anders ausgehen können. Wenn denn nicht – und das ist jetzt der entscheidende Punkt – der Glaube stark genug gewesen wäre. Der Glaube, den Weg weiterzugehen. Im ganzen NT bezeichnet der Begriff „Heiliger“ nie die Vollkommenen, die Perfekten, sondern einfach jene Menschen, die an Christus glauben. Bei Pls. Die Heiligen – das sind immer die Mitglieder seiner Gemeinden. Die Heiligen sind die, die zu Christus gehören. Insofern Maria & Josef die ersten sind, die zu Christus gehören, ist ihre Familie eine heilige Familie. Und ihre Leistung besteht darin, bei der Verheißung zu bleiben. Also zu glauben. Wie Abraham: Und das rechnet ihm Gott als Gerechtigkeit an (Vgl. Gen 15,6).
Wir Menschen sind eigenartig: Wir wollen sicher gehen, dass wir uns nicht selber täuschen. Uns nicht irgendwelche Phantasie einbilden. Dazu brauchen wir die Bestätigung von außen. Das sind hier Simeon und Hannah. Beide haben eine ähnliche Funktion wie die Engel, die einmal der Maria im Zimmer und ein ander Mal dem Josef im Traum erschienen sind. Auch von Simon und Hannah können wir bis heute etwas lernen: Beide haben durch ihre Lebensführung – gottesfürchtig und gerecht – nicht nur einfach ein frommes Leben geführt. Sondern sie haben sich dadurch diese Wachsamkeit bewahrt, die es ihnen erlaubt, das Neue, das Unerwartete wahrzunehmen.
Tun wir das heute auch? Haben wir die Offenheit, den Christus wahrzunehmen, falls er sich uns in einem kleinen, unbekannten Kind offenbaren wollte? Im Jahr 2023 die heilige Familie zu feiern, bedeutet, dass wir Ausschau halten müssen. Wir sollen nicht sagen: Wir wissen eh schon, dass wir gerettet sind und dass die übrige Welt ist schlecht. Nein: Wir sollen Ausschau halten nach dem Messias. Irgendwo ist er, irgendwo zeigt er sich auch heute: im Alltag, in den kleinen Dingen, in der Begegnung mit Verwandten, Freunden oder auch in einem Fremden.
Diese Wachsamkeit will Christus von jenen, die zu ihm gehören. Sonst wäre er nicht als Kind im Stall geboren, sondern als Sohn eines Imperators. Wachsamkeit, gegenseitige Unterstützung und Gottvertrauen: Das sind die Merkmale jener, die zu Christus gehören. Das ist das, was uns alle zu Heiligen macht.
Wovor erschrickt Maria? Die Verkündigungsszene im Lukasevangelium gehört zu den bekanntesten Texten unserer Bibel. Unzählige Male ist sie von Künstlern dargestellt oder verarbeitet worden. Das Fest, das sich auf diesen Text bezieht, feiern wir jedes Jahr am 25. März –
Wovor erschrickt Maria? Die Verkündigungsszene im Lukasevangelium gehört zu den bekanntesten Texten unserer Bibel. Unzählige Male ist sie von Künstlern dargestellt oder verarbeitet worden. Das Fest, das sich auf diesen Text bezieht, feiern wir jedes Jahr am 25. März – 9 Monate vor Weihnachten. Und kurz vor dem Geburtsfest – heuer sehr kurz – rufen wir uns diese Verkündigung im Gottesdienst ein weiteres Mal in Erinnerung.
Und das erlaubt es uns, für einmal die großen Glaubensinhalte, die dieser Text bietet, beiseite zu lassen, und auf ein Detail zu achten: Worüber erschrickt Maria als dieser Bote – in Gestalt eines fremden Mannes – sie anspricht? Die Kirchenväter der Antike, aber auch die Theologen seit dem Mittelalter haben darauf eine eindeutige Antwort: Die junge Maria erschrickt vor der nun auftretenden Gottesmacht, die sie spürt. Es ist d.a.s. Heilige, das sie erfasst. Gestützt wird diese Annahme von der Erklärung des Evangelisten, wonach sie „überlegt was d.i.e.s.e.r. Gruß zu bedeuten“ hat. Nun ist die Feststellung (oder manchmal der Wunsch) „der Herr ist mit dir“ unter frommen Juden noch nichts Ungewöhnliches. Und ganz genau gelesen kann Maria noch nicht wissen, was die Botschaft sein wird. Wir müssen uns ihre Situation einmal vorstellen. Wir können es auch in der Basilika Frauenkirchen betrachten. Hinten an der Orgelempore ist sie noch nicht die Königin der Himmel: Sie ist eine junge Frau. Ihre Familie entstammt genauso wie jene ihres Bräutigams der weit verzweigten Sippschaft Davids. Aber das ist lange her: Maria ist nur eine noch unverheiratete Nachkommin, die abseits des großen religiösen Zentrums aufgewachsen ist und dort ein normales, ein bodenständiges Leben lebt: Nazareth liegt etwa 160 km von Jerusalem entfernt. Das entspricht in etwa der Entfernung des Franziskanerklosters in Güssing zum Stephansdom in Wien.
Maria ist nicht jemand, der gegrüßt wird. In der Antike, wenn Sie einer jungen Frau etwas mitteilen wollten, dann sagen Sie es ihr und Schluss. Nicht nur einer jungen Frau, auch sonst grüßen Sie nur sehr selten andere Menschen mit einem freudigen Hallo.
Das zeigt auch die Spiegel_Erzählung im AT unserer Verkündigungsszene: Als drei Männer oder Engel Abraham besuchen und ihm und seiner Frau Sarah einen Sohn verheißen, steht nichts von Grüßen. Abraham kennt immer schon jeden und Sarah zweifelt überhaupt an allem. Bei Maria wird das nun völlig anders: Der Engel grüßt sie, er spricht sie an. Gott zeigt sich, indem zwei Personen – Maria & Gabriel – konkret eine Beziehung zueinander aufnehmen. Das ist das Neue, das Unerwartete. Und darüber erschrickt Maria.
Aber Vorsicht: Dieser Gruß ist nicht eine billige Unterwerfungsformel wie wir sie in der Antike sonst auch finden: Jemand steht am Römischen Forum und grüßt den vorbeiziehenden Imperator mit Heil Dir, Caesar. Nein, das griechische Wort χαῖρε, das der Evangelist hier benutzt ist zugleich ein Ausdruck von Fröhlichkeit. Von Freude über die Begegnung. Der Engel Gabriel grüßt Maria, insofern er schon weiß, was jetzt geschieht: Seine Botschaft ist, dass ein Kind geboren wird, das die Menschen erlösen wird. Und die Freude darüber packt er in diesen Gruß. Maria weiß es noch nicht, aber sie spürt es schon. Sie wird so zum Urbild der Kirche, sagen die Theologen. Wir können besser sagen: Sie wird im Moment der Verkündigung zum Urbild jedes erlösten Menschen.
Dieser Gruß des Engels Gabriel – ein Detail in diesem Abschnitt – hat eine unglaubliche Wirkung entfaltet: Christen grüßen, auch wenn sie sich nicht kennen. Christlich verstanden, ist der Gruß ein minimales Glaubensbekenntnis: Ich sehe dich. Du bist erlöst. Das erfüllt mit Freude. Es gibt Gegenden, wo das Grüßen noch Brauch ist: in den Bergen, in vielen Landgemeinden. Und natürlich können wir nicht durch die Wiener Kärntnerstraße laufen und jeden Menschen grüßen. Das würde etwas skurril anmuten. Aber – und das scheint mir ein passender Auftakt für die Weihnachtstage zu sein – wir können uns daran erinnern, dass wir als gläubige Christen aufgerufen sind, an Christi Erlösungswerk mitzuarbeiten. Oder anders gesagt: Wir sollen in dem Haus, das der Herr dem David und dessen Nachkommen baut (2 Sam 7,1f), Pförtner sein. Die Fenster und Türen dieses Hauses öffnen und andere Menschen mit in diese Frohe Botschaft hineinnehmen. Erlösen tut Christus. Er ist das Licht das brennt. Aber dieses Licht weitergeben können wir: Indem wir im gegenseitigen Gruß unseren Glauben hineinpacken. Ganz diskret. Dazu braucht es keine eigenen Formeln, es reicht der einfache Gruß. Aber eben mit innerer Freude. Und auf diese Weise sollen wir den Menschen, denen wir begegnen, sozusagen zum Engel Gabriel werden: Gegrüßt seist Du [Maria, du] Begnadete. Der Herr ist mit Dir.
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Lesungen zum 4. Adventsonntag
2 Sam 7, 1–5.8b–12.14a.16/ Röm 16, 25–27 / Lk 1,26-38
Der dritte Adventsonntag heißt Gaudete. Er steht im Zeichen der Freude. Freude ist zunächst etwas Subjektives: Damit wir sie wirklich wahrnehmen, muss sie vom einzelnen Menschen empfunden oder ausgedrückt werden. Die Begegnung mit einem lieben Freund; der Gruß einer bekannten;
Der dritte Adventsonntag heißt Gaudete. Er steht im Zeichen der Freude. Freude ist zunächst etwas Subjektives: Damit wir sie wirklich wahrnehmen, muss sie vom einzelnen Menschen empfunden oder ausgedrückt werden. Die Begegnung mit einem lieben Freund; der Gruß einer bekannten; die Aufmerksamkeit, die eine Mutter ihrem Kind schenkt. Das löst Freude aus. Manchmal sind es größere Ereignisse, die bei den einzelnen Menschen – vielleicht sogar bei vielen einzelnen Menschen – zu Freude führen: Wenn ein österreichischer Skifahrer die Abfahrt gewinnt oder wenn ein Krieg sein Ende findet, weil sich die verfeindeten Lager auf Frieden verständigen.
Fehlt aber dieses Empfinden des Einzelnen, sind Appelle zur Freude inhaltsleer: Wie eine Pflanze, deren Blüte nicht aufgeht. Insofern birgt der jährlich im Kirchenjahr am 3. Adventsonntag (Gaudete-Sonntag) formulierte Aufruf zur Freude auch die Gefahr zur Schablone zu werden: Es herrscht Krieg. Viele Menschen leiden an Not oder kommen mit sich und der Welt nicht klar. Und eine wirkliche Veränderung der Umstände ist entweder nicht in Sicht oder unglaubwürdig.
Offenbar ist diese Kluft zwischen ersehnter Freude und den Abgründen der Wirklichkeit eine Erfahrung, die Christen von Beginn an machen: „Freut Euch zu jeder Zeit“, schreibt Paulus den Thessalónichern und meint ziemlich sicher damit, dass sie sich auch unter den schwierigen Lebensumständen des römischen Reiches noch immer freuen können, Christen zu sein. Es ist eine Grundstimmung, die die Gläubigen durch ihr Leben trägt. Das ist keine Erfindung des Paulus: Auch für den Propheten Jesaja galt: Freude erwächst aus dem Vertrauen auf Gott. Der fromme Gläubige vertraut auf den Herrn und daraus erwächst ihm eine Kraft, mit der er auch in Krisenzeiten noch Licht und Freude findet.
Aber ist es schon alles, wenn wir daran glauben, dass sich in jedem Dunkel irgendwo auch ein Licht befindet und wenn wir begründet darauf hoffen, dass am Ende der Zeiten das Licht – Christus – sich durchsetzen wird? Es ist gewiss viel. Viel mehr als die meisten Menschen haben, die nichts glauben. Aber es ist nicht alles.
Die Freude des Glaubenden ist auch etwas, das das Hier und das Jetzt betrifft. In jedem von uns. Und zwar ohne dass wir deswegen vom Übel wegschauen müssten. Der seraphische Ordensvater Franziskus meinte einmal, wahre Freude sei das Loswerden von eigenen Hemmnissen: Wenn er enttäuscht würde, wenn ihm Unrecht zugeführt würde, wenn er in Not geraten würde, und wenn er sich deswegen nicht ärgeren würde, dann entstünde wahre Freude. Sagt er einmal. Und beachten wir bitte: Franziskus freut sich nicht über den Enttäuschungen, über das Unrecht oder über die Not. Die Freude entsteht vielmehr dadurch, dass die Widrigkeiten des Lebens ihn nicht gefangen halten können. Das muss man natürlich üben: Kaum jemand ist so stark wie unser Ordensgründer. Aber ein Vorbild kann er sein: Und in gewisser Weise wird Franziskus damit zum Spiegelbild des Täufers Johannes.
Die Evangelisten – und heute eben der Evangelist Johannes – erzählen uns die Geschichte eines Menschen, der sich selbst in die Öffentlichkeit gebracht und eine große Anhängerschaft gewonnen hat. Vermutlich entstammte er sogar einer Familie aus dem Kreis derer, die in Jerusalem das Sagen hatten. Jedenfalls hatte er sich gegen das System, gegen die Mächtigen in Stellung gebracht. Und am Höhepunkt seines Wirkens, dann als die Anderen offensichtlich nicht mehr umhinkönnen, sich mit ihm auseinanderzusetzen, lehnt er alles ab und verweist auf den Christus. Nicht nur vom Leid, sondern auch vom Erfolg kann man gefangen werden: Für den Täufer wäre es ein Leichtes gewesen, seinen Erfolg für die eigene Botschaft zu benutzen. Aber er lässt sich nicht einnehmen, nicht einmal von sich selbst: Der Christus ist ein Anderer. Dieser Grundsatz, von sich weg und auf Christus hinzuweisen, verbindet Franziskus und Johannes. Der Täufer wird damit nicht nur zum biblischen Wegbereiter. Er kann uns selbst – bis heute – ein Vorbild sein. Im Großen wie in den kleinen Dingen des Alltages: Die Demut, sich selbst zurückzustellen, macht den Weg frei. Sie macht in uns Platz für den Christus. Und dadurch erst entsteht Freude, die eine wirkliche Freude ist.
Es hat den Anschein, als wäre Weihnachten Mitte Dezember schon wieder vorbei: zumindest nach dem Abschnitt, der im Gottesdienst am 2. Adventsonntag gelesen wird (Mk 1,1-8). Da geht es schon um Johannes d. Täufer, wie er zur Umkehr aufruft und
Es hat den Anschein, als wäre Weihnachten Mitte Dezember schon wieder vorbei: zumindest nach dem Abschnitt, der im Gottesdienst am 2. Adventsonntag gelesen wird (Mk 1,1-8). Da geht es schon um Johannes d. Täufer, wie er zur Umkehr aufruft und die Bibelfesten unter uns wissen, dass im unmittelbar darauffolgenden Vers schon der erwachsene Jesus zur Taufe kommt. Das liegt an der Eigenheit dieses Evangeliums: Der Evangelist Markus berichtet nichts von der Geburt oder der Jugend des Heilands. Und so müssen wir uns auch in jedem Markus-Jahr bei den anderen Evangelisten Anleihen machen, um den Weihnachtsfestkreis zu feiern.
Dafür hat der Evangelist Markus aber etwas Anderes, das ihn besonders macht: Er ist der „Erfinder“ – oder sagen wir besser der christliche Formgeber – des Begriffes Evangelium. Auf Deutsch heißt das Wort Frohbotschaft. Römische Bürger benannten damit die Ankündigungen, dass ein neuer Kaiser ausgerufen wurde. Jüdische Menschen benutzten den Begriff, um zu sagen, dass Gott sein Volk Israel befreien wird. Dafür soll es sich bereit machen, sagt der Prophet Jesaja. „Anfang des Evangeliums von Jesus, dem Christus“. Markus erinnert seine Hörer daran wie alles angefangen hat. Anfänge sind immer mit freudigen oder erwartungsvollen Emotionen verbunden. Stellen Sie sich einmal die Frage, wie „alles angefangen hat“, als Sie angefangen zu haben zu glauben…
Wenn wir heute auf unsere Kirche schauen, dann geht es häufig um moralische Fragen – was richtig und was falsch ist. Wir diskutieren um Gerechtigkeit und Ausgleich zwischen Armen und Reichen, zwischen Männern und Frauen. Wir sehen, dass unter Christen auch Leid und sogar Verbrechen geschehen. Und alle diese Fragen haben ihre Berechtigung, sie sollen und müssen gestellt und beantwortet werden bzw. sie sollen und müssen Konsequenzen haben. Auch im Hinblick auf das Urteil, das der Herr eines Tages über jeden von uns sprechen wird. Deshalb heißt es im Zweiten Petrusbrief: „...bemüht euch darum, von ihm ohne Makel und Fehler in Frieden angetroffen zu werden“ (2 Petr 3,14). Der entscheidende Punkt ist nicht, ein makelloses Leben bereits zu haben, sondern uns um ein makelloses Leben zu bemühen. Also einen Weg zu gehen. Der Apostel Paulus sagt das noch deutlicher „drum prüft immer was Gott gefällt“, schreibt er an die Römer (Vgl. Röm 12,2). Christlicher Glaube nimmt den Einzelnen in die Verantwortung, bei jeder Frage neu herauszusuchen, was Gott gefällt. Immer und immer wieder.
Aber – und das ist die große Überschrift des Evangelisten Markus – keine Frage – so wichtig sie auch ist – ist alleine und für sich genommen schon der ganze Glaube. Wenn wir an Jesu Reich Gottes mitarbeiten wollen, wenn wir seine Botschaft bezeugen wollen, dann reicht es nicht aus, nur aufzuzählen, was Christen alles nicht tun sollen: Nicht stehlen, nicht lügen, nicht Gewalt anwenden oder nicht morden usw. Dann müssen wir das Frohe in der Frohbotschaft wahrnehmen. Wir können die Welt, der wir von Christus erzählen wollen, nicht damit beeindrucken, dass wir nur von Moral sprechen. Das heißt natürlich nicht, dass Christen das Schlechte einfach übersehen sollen. Im Gegenteil: Wir sollen von Moral sprechen, sowohl untereinander als auch nach außen hin: aber zum geeigneten Zeitpunkt und in geeignetem Rahmen. Denn als Ganzes ist unser Glaube etwas, worüber sich Menschen freuen können.
Worin diese Frohbotschaft besteht? Der Evangelist Markus formuliert es nie explizit, aber es wird jedem klar, der sein Evangelium liest / hört: Es gibt einen Gott, der mit Dir geht, wo auch immer du stehst und was auch immer du getan hast. Sie alle kennen die Geschichte der verfeindeten Weltkriegssoldaten, die sich während einer Feuerpause am Weihnachtstag 1914 gegenseitig Geschenke machten. Das ist das, was uns Markus erzählt: Das menschliche Leid wird nicht weggezaubert, aber das Leid ist nicht alles und es ist nicht das Ende. Das ist die Botschaft von Jesus, dem Christus.
Es ist auffällig und ein bisschen eigenartig: Die heilige Cäcilia ist eine der wenigen Heiligen, deren Andenken der kirchliche Kalender nicht auslässt, selbst wenn Sonntag ist. Das liegt natürlich nicht daran, weil sie bedeutender gewesen wäre als andere Heilige. Genaugenommen
Es ist auffällig und ein bisschen eigenartig: Die heilige Cäcilia ist eine der wenigen Heiligen, deren Andenken der kirchliche Kalender nicht auslässt, selbst wenn Sonntag ist. Das liegt natürlich nicht daran, weil sie bedeutender gewesen wäre als andere Heilige. Genaugenommen wissen wir über die historischen Umstände der Märtyrerin kaum etwas Gesichertes. Sogar, dass sie in ihrem irdischen Leben etwas mit Musik zu tun gehabt hätte, ist wohl eher einem späteren Übersetzungsfehler geschuldet.
Und dennoch wird sie seit Jahrhunderten weltumspannend als Schutzpatronin der Musik bzw. der Kirchenmusik verehrt. Auch an so großen Herrenfesten wie dem heutigen Christkönigfest. Das liegt weniger an ihrem Leben im 3. Jahrhundert, sondern mehr am Jahrhunderte währenden Engagement ihrer „geistlichen“ Kinder, den Musikern und Musikerinnen. Wir können sagen: Diese musikalische Verehrung der heiligen Cäcilia ergänzt gewissermaßen die Thronfeierlichkeiten des königlichen Christus.
Das Besondere an der sakralen Musik ist es ja, dass sie von sich weg, auf Christus hin weist. Kirchenmusik ist – wir wissen es – im Gegensatz zu einem Stadionkonzert kein Selbstzweck, sondern findet erst ihre Vollendung im Dienst an Gott, im Gottesdienst. Christus ist das Zentrum: Das gilt für den einzelnen Gläubigen wie für die Kirche und – wie wir heute im Evangelium gehört haben – sogar für die ganze Welt. „..der Menschensohn in seiner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm..“ – Der Evangelist scheint es uns mit den Engelchören nahe zu legen: Auch das Jüngste Gericht wird bei aller Rede und Gegenrede nicht ganz ohne Musik auskommen.
Hier müssen wir nun eine 2. Beobachtung notieren: „Alle Völker“ versammeln sich vor dem Weltenrichter. In der biblischen Sprache meint dies, dass auch die Andersgläubigen oder die Gar-Nichts-Glaubenden am Ende vor Jesus stehen werden. Die Menschheit wird am Ende ein einheitliches Ganzes. Eine Menschheitsfamilie, zu der jede und jeder einen Beitrag geleistet haben wird. Das Evangelium sagt es uns: Es sind die Werke der Barmherzigkeit, mit denen wir Christen Musik machen. Ganz unterschiedlich. Das Erlösungswerk Christi ist symphonisch, wie das der Schweizer Theologe Hans Urs von Balthasar einmal beschrieben hat. Auch die schwachen, die fast unhörbar gewordenen Stimmen gehören dazu. Ich kannte einen Franziskanerpater, der hatte es sich zur Angewohnheit gemacht, am Cäciliensonntag nicht nur Kirchenmusikern, sondern allen Musikern zum Patronatstag zu gratulieren. Und da gab es einen Flötisten, der vermutlich wenig geglaubt hat und noch weniger mit Kirche etwas anfangen konnte. Aber insofern er Profi-Flötist war, hat er bisweilen im Kirchenorchester ausgeholfen. Und bei aller Kirchenferne: Das Cäcilienfest – ansonsten meist sehr weltlich organisiert – war ihm wichtig. Es war sein Fest, das Fest seines Berufsstandes.
Und dazu gehörte für ihn nicht nur die weltlich-fröhliche Cäcilienfeier, sondern dass der Pater auch ihm zum Patronatstag gratulierte. Sieh an, dachte ich mir: Es ist so, als würde über die Musikpatronin eine kaum wahrnehmbare Verbindung des Flötisten zu Christus offen bleiben. Die heilige Cäcilia hat einen seidenen Faden gespannt, der den Nicht-mehr Glaubenden zum Weltenrichter verbindet. Und wer weiß, wozu dem Flötisten dieser Faden noch verhelfen wird.
Liebe Brüder und Schwestern: Alle Menschen zusammen bilden gewissermaßen einen Chor oder ein Orchester. Das Weltengericht kommt als Symphonie daher: Es hat laute und leise Stimmen, manchmal klingt es majästetisch, manchmal desolat oder gar „Al niente“.
Aber wie auch bei anderen Symphonien ist das Weltengericht etwas, dem wir nicht mit Angst, sondern eher mit Vorfreude entgegensehen können. Immer vorausgesetzt, dass jeder und jede von uns das eigene Instrument auch bespielt und die Barmherzigkeit zum Klingen bringt. Sonst bleibt selbst die genialste Musik nur ein Notenbild auf einem Blatt Papier.
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Lesungen zum Christkönigsonntag 2023
– Ez 34, 11–12.15–17a / 1 Kor 15, 20–26.28 / Mt 25, 31–46
Ziemlich sicher kommt Ihnen das bekannt vor. Das Handy läutet, meine Mutter ist dran und sagt: „Wir fahren dann am Sonntag nach Bayern: Irgendjemand muss auf den Hund schauen“. Bis vor wenigen Jahren hatten meine Eltern so einen treuherzigen Freund
Ziemlich sicher kommt Ihnen das bekannt vor. Das Handy läutet, meine Mutter ist dran und sagt: „Wir fahren dann am Sonntag nach Bayern: Irgendjemand muss auf den Hund schauen“. Bis vor wenigen Jahren hatten meine Eltern so einen treuherzigen Freund und immer wenn sie verreist sind, dann stand neben der Obsorge um den Hund auch das Gießen der Pflanzen, das Öffnen der Post oder einfach das Nach-Dem-Rechten-Schauen an. Und natürlich meinte meine Mutter mit „Irgendjemand muss sich um den Hund kümmern“ nicht wirklich „irgendjemanden“ im allgemeinen Sinn: Es musste schon wer sein, dem sie Haus und Hund anvertraut. Der in ihrem Sinne handelt, der auch weiß, wo im Haus er das findet, was er zum Handeln braucht.
Gut möglich, dass solche Kriterien auch beim Mann, der in Jesu Parabel auf Reisen geht (Mt 25, 14-30), eine Rolle spielt. Natürlich sind Diener Untergebene, Sklaven vielleicht, aber im jüdisch geschulten Ohr der Jünger ist ein δοῦλος mehr als ein Befehlsempfänger. Diener oder Knechte sind im Volk Abrahams, Isaaks und Jakobs die Propheten, die Könige und Fürsten, also jene, die im Sinne des eigentlichen Königs, die im Sinne Gottes sprechen oder handeln. Das ist jetzt auch schon das kennzeichnende Element der ersten beiden Diener: πιστός, vertrauenswürdig. Aber Vorsicht: Das ist kein Zustand, der von vornherein gegeben ist. Vor der ganzen Geschichte steht eine Handlung, die Tat des Herrn: Er vertraut dem Diener. So ähnlich wie meine Eltern zunächst mir vertrauten bevor sie mir Haus und Hund überließen.
Und hier zeigt sich das Problem mit dem 3. Diener. Objektiv hat er nichts falsch gemacht: Silber zu vergraben ist für die Antike die sicherste Art der Aufbewahrung. Aber er schätzt die eigene Beziehung zu seinem Herrn offenbar radikal anders ein als dieser sie empfunden hat: streng, habgierig, vielleicht ein bisschen verschlagen: Das sind die Charaktereigenschaften, die der Sklave als typisch empfindet. Und die ihm Angst machen. Diese Meinung über seinen Herrn zu haben ist die der Geschichte vorausgehende Tat des Dieners. Und sie steht in krassem Widerspruch zur Haltung des Zutrauens, das der Herr ihm gegenüber hat. Bei seiner Rückkehr wird dem Herrn dieser Widerspruch klar. Und er ist enttäuscht.
(Ungefähr so, wie wenn ich den Hund nur kurz zu fressen gegeben hätte und ihn sonst in einer Kammer eingesperrt gelassen hätte).
Liebe Brüder und Schwestern: Meine Aufgabe war relativ einfach. Und schlimmstenfalls wäre ein anderer – etwa mein Bruder – eingesprungen. Aber das Gleichnis von den Talenten – Silbergeld – handelt nicht von einfachen Dingen des Alltags. Der verreisende Mann – so sagt es Jesus durch das Bildwort – ist er selber: Er der am Ende zurückkommt. Und τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῦ ist nicht nur abstrakt sein ganzer Besitz – wie etwa bei jemandem, der sein Unternehmen dem Kind anvertraut und übergibt. τὰ ὑπάρχοντα αὐτοῦ meint „alles, worüber er verfügt“. Was ist das, worüber der Menschensohn verfügt. Er hat ja nichts, nicht einmal einen Platz zum Schlafen. Was der Menschensohn hat und was er den Jüngern anvertraut, ist das Reich Gottes. Und jetzt wird es herausfordernd für uns: Denn die Frage, die sich den Jüngern wie auch uns heute stellt, ist: was machen wir damit? Arbeiten wir mit dem Anvertrauten? Riskieren wir die Pleite? Geben wir die Ankündigung des Reiches Gottes weiter? Manchmal zögern wir, oder? Die Parabel jedenfalls ist einfach Erinnerung: Ihr könnt alles tun – auch scheitern. Nur nichts zu tun wäre fatal. Nach einer griechischen Fabel hatte ein Geizhals seinen Schatz vor der Stadt im Wald vergraben, damit er ihm nicht geraubt werden könne. Jeden Tag besuchte der Geizhals den Ort, um sich zu vergewissern, dass das Geld noch da ist. Natürlich wurde er heimlich beobachtet und der Schatz gestohlen. Verzweifelt und vergrämt erzählt er einem Freund sein Schicksal. Und dieser antwortet ihm: Wenn du den Schatz eh nur hattest, um einmal am Tag zu seinem Versteck zu pilgern und dich einsam über dein Besitztum zu freuen, kannst du dort genauso gut einen Stein vergraben. Der erfüllt denselben Zweck.
„Irgendjemand muss auf den Hund schauen“: Liebe Brüder und Schwestern: Wenn wir bei alltäglichen Dingen unseren Verwandten entgegenkommen, um wie viel mehr müsste sich jeder von uns beim höchsten Gut anstrengen. Das höchste Gut des Christen ist das Evangelium, die Frohe Botschaft. In der Erde vergraben nützt sie niemandem.
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