Der Mensch als Verantwortungsträger – eine theologisch-ethische Perspektive
Bereits im Schöpfungsauftrag kommt dem Menschen die „Herrschaft“ über die Geschöpfe des Himmels und der Erde zu. Wesentlich bleibt die Frage, welche Form von Herrschaft hier impliziert wird. Offenkundig ist eine totalitäre und absolute Herrschaft über die Schöpfung schon durch
Bereits im Schöpfungsauftrag kommt dem Menschen die „Herrschaft“ über die Geschöpfe des Himmels und der Erde zu. Wesentlich bleibt die Frage, welche Form von Herrschaft hier impliziert wird. Offenkundig ist eine totalitäre und absolute Herrschaft über die Schöpfung schon durch Gottes Absolutheit schwer – oder besser unmöglich – denkbar. Doch warum sollte man sich überhaupt diese Frage stellen?
Konkret ist das Verhältnis des Menschen zur Schöpfung ja gerade in den jetzigen Tagen ein besonders aktuelles Thema. Hinsichtlich des Klimaumschwungs und seiner Implikationen sowie der Schöpfungsverantwortung des Menschen, die mit dieser Thematik bzw. Problematik einhergeht, kann man katholischerseits auf die Enzyklika Laudato Si zurückgreifen. Bereits kurz nach ihrem Erscheinen zeigten sich erste Bestrebungen von Theologinnen und Theologen, der Reduktion von Laudato Si auf den ökologischen Aspekt entgegenzutreten, indem auch immer wieder die soziale Dimension des Dokumentes herausgestrichen wurde: Es gilt die Zerstörung der natürlichen Welt und die Zerstörung der menschlichen Umwelt gemeinsam zu denken. Auch die Maßnahmen, mit denen diesen Zerstörungen entgegengewirkt werden soll, dürfen nicht voneinander getrennt gedacht werden. Der Ausbeutung der Natur zu begegnen bedeutet daher auch der Ausbeutung der Menschen – gerade der Ärmsten, die am meisten unter den Folgen der Umweltzerstörung leiden – zu begegnen.
Begründet wird diese Verpflichtung gerade auch in der Schöpfungsverantwortung: Denn dem Menschen ist nicht nur die Schöpfung von Gott gegeben, sondern auch der Mensch selbst ist Geschenk Gottes an den Menschen (LS 38). Der Auftrag, der sich aus Laudato Si ableiten lässt, ist also auf der gemeinsamen Basis des Verhältnisses zwischen Menschen und Schöpfung gegründet. Diese Basis bildet die Verantwortung des Menschen gegenüber seiner Umwelt, die nicht als Herrschaftsverantwortung, sondern vielmehr mit einer Art Hegeverantwortung zu denken ist.
Im Rahmen dieser Verantwortungsfrage gilt es aber auch zu bedenken, was verantwortliches Handeln für den Menschen im Kontext von Umwelt und menschlichem Gegenüber heißt. Verantwortung in diesem Sinne wäre im Kern doch verbunden mit dem Begriff der Gerechtigkeit und dem Maßhalten. Gerechtigkeit beträfe hierbei die Ebene der Menschen untereinander und das Maßhalten die Ebene von Umwelt und Mensch. Diese Bezüge sind aber wechselseitig, sofern man von einer Gerechtigkeit der Umwelt gegenüber und einem Maßhalten der Menschen füreinander sprechen kann. Verantwortliches Handeln im Kontext der gesamten Schöpfung muss also auf den Prinzipien der Gerechtigkeit und des Maßhaltens gründen, welche sich allgemein in Verantwortlichkeit synthetisieren lassen.
Problematisch ist, wie Laudato Si festhält, nicht das grundlegende Verhältnis zwischen dem Menschen und der Schöpfung, sondern vielmehr das abhandengekommene Verantwortungsbewusstsein: das Verantwortungsbewusstsein sowohl dem Nächsten gegenüber – obgleich hier wohl eher von „den Fernsten“, jener am Rande unserer global-ökonomischen Welt, die Rede sein sollte – als auch der Schöpfung gegenüber. Dieses Nicht-Nachkommen in Bezug auf Verantwortung ist nicht nur sozio-ökonomischer/politischer Natur („Die großen Firmen/die Staaten müssen etwas tun!“); es ist hingegen auch persönlicher Natur („Ich kann nichts ändern.“). Dabei soll hier nicht zum zigsten Male die Macht des Einzelnen hochstilisiert werden und ein die Fundamente unsere Lebensstile betreffender Änderungsappel ausgerufen werden – so berechtigt diese auch sein mögen – denn sie gibt sie nämlich schon zur Genüge.
Es soll hier eher folgende Frage aufgeworfen werden: Was geschieht, wenn niemand mehr die Verantwortung wahrnimmt, die aus dem Schöpfungsauftrag resultiert? Nicht nur, dass der Schöpfung und den Menschen massiver Schaden zufügt wird; es wird ebenso konkret mit der grundlegenden Aufgabe, die von Gott dem Menschen zugekommen ist, gebrochen. Dieses, neben der Gottesebenbildlichkeit, zweite Wesensmerkmal des Menschen würde gerade durch das Verabsäumen von menschengerechtem Handeln nichtig werden. Der Mensch würde sich selbst eines Teils seines Wesens berauben.
Ist also mit allen Mitteln und auf radikale Weise die Umwelt und das Klima um des Menschen willen zu retten? Nein. Der Mensch ist Laudato Si folgend radikal und mit allen Mitteln um der Schöpfung- und seiner selbst willen zu retten. Und mit ihm auch die Umwelt.
Dieser Text nimmt maßgebliche Impulse aus einem Text von Univ.-Prof. Dr. Leopold Neuhold auf: