Aufmerksamkeit um jeden Preis?
Am 22.6 verweigerte die vatikanische Frauenfußball-Mannschaft ihr Debutspiel gegen den FC Mariahilf in Österreich. Der Grund war eine Provokation, der Spielerinnen des FC Mariahilf. Diese zeigten beim Abspielen der vatikanischen Hymnen Protestbotschaften, welche die Haltung der Kirche hinsichtlich Abtreibung und
Am 22.6 verweigerte die vatikanische Frauenfußball-Mannschaft ihr Debutspiel gegen den FC Mariahilf in Österreich. Der Grund war eine Provokation, der Spielerinnen des FC Mariahilf. Diese zeigten beim Abspielen der vatikanischen Hymnen Protestbotschaften, welche die Haltung der Kirche hinsichtlich Abtreibung und Homosexualität kritisierten. Teils waren diese Botschaften auf die Körper der Frauen gemalt. Nach Rücksprache mit dem Nuntius verweigerten die vatikanischen Spielerinnen am Spiel teilzunehmen.[1]
An sich ein kleiner Vorfall, der die Frage aufwirft wie politisch darf/soll Fußball sein. Diese Frage soll aber nicht die primäre sein. Vielmehr stellt sich die Frage wie darüber berichtet wurde und welchem Ethos die Publizierenden hierbei folgten. Auf der ersten Seite der Google-Suchergebnisse im Bereich Nachrichten titeln von den acht angezeigten Nachrichtenmedien, vier mit „Eklat“ (Kronen Zeitung, Kleine Zeitung, ORF, der Standard). Zwei andere Medien erweckten den Anschein, dass die Entscheidung nicht zu spielen, nicht von den Spielerinnen, sondern vielmehr von oben herab getroffen wurde („Skandal in Simmering: Der Vatikan pfiff seine Frauen zurück“ – Kurier; „Frauen-Fußball: der aufgemalte Uterus war dem Vatikan zu viel“ – welt.de). Ethisch problematisch ist, dass hier einer Institution offensichtlich mit einem Bild verknüpft wurde, dass es zumindest einzelnen Journalisten nicht erlaubte zu denken, diese Entscheidung sei nicht von oben herab.
Hinsichtlich Kirche und Berichterstattung gab es in dieser Woche ein zweites Beispiel, welches für Aufruhr sorgte. Das Nachrichtenmedium katholisch.de betitelte gestern den Bericht über die römische Fronleichnamsprozession mit „Papst: Jesus hat kein Brot vermehrt – er lehrte Menschen zu teilen“. Darauf hin brach in gewissen sozialen Medien ein Aufruhr aus, dass der Papst das Brotwunder – und die Speisung der 5000 revidiert habe. Dabei schaukelten sich zwei Seiten auf, jene die einen fundamentalen Bruch mit dem Evangelium verorteten und dem Papst Apostasie vorwarfen und jene die tatsächlich den Artikel gelesen hatten und der Gegenseite vorwarfen uninformierte Hardliner zu sein, an denen eine Reform der Kirche scheitern würde. Ungeachtet der Reaktionen ist die Frage zu stellen, ob das Nachrichtenmedium mit dem gewählten Titel nicht bewusst Unruhe stiftete. Möglicherweise in der Intention Aufmerksamkeit zu generieren, was ja auch gelang, trotzdem sollte man sich bewusst sein, dass allein die Wahl des Titels Meinungen bildet und Konflikte verschärfen kann.
Ethisch stellt sich hier natürlich die Frage: Kann man von Journalisten verlangen ihre Titel und Artikel so anzupassen, dass diese möglichst wenig anecken? Natürlich nicht. Kann man von der Gegenseite verlangen, dass sie die Artikel effektiv lesen bevor sie sich eine Meinung bilden? Vermutlich ja, aber nicht mit Sicherheit. So stand auch in den meisten Berichten über das abgesagte Fußballspiel, dass die Spielerinnen nicht antreten wollten, trotzdem kam dieser Umstand nicht unbedingt in den Reaktionen der Menschen vor. Damit obliegt die Verantwortung bei beiden Seiten. Irreführende aber Aufmerksamkeit erregende Titel sind ebenso zu unterlassen, wie uninformiertes und oft auch polemisches Agieren in den Sozialen Medien. Hier kommt beiden Parteien eine besondere Verantwortung zu.
[1] Nachtrag vom 24.06.2021: Laut Twitter-User Sascha Düerkop (@SaschaDueerkop) wollte der Großteil der Mannschaft des Vatikan trotzdem spielen. https://twitter.com/SaschaDueerkop/status/1408038836798636037?s=20