Wohl wenig ängstigt den Menschen so sehr, wie die Gewissheit, dass er nur begrenzt lebt und die Fülle dessen, dass er erfahrt schlicht enden wird. Selbst wer die eigene Todesangst überkommt, erfährt sie oft in vermittelter Weise in der Furcht Nahe und Geliebte zu verlieren oder im Schmerz diese verloren zu haben. Gleichermaßen übt der Tod auf den Menschen eine ungemeine Faszination aus, die bis zur Todessehnsucht werden kann. Ein kleiner Nebenschauplatz dieser Spannung sind die gewählten Begriffe in Debatten und Gesprächen: Was für den einen ein Mord ist (Selbstmord), ist für den anderen ein Ausdruck an Freiheit (Freitod). Wer sich zumindest dem Anschein nach neutral geben will greift auf Begrifflichkeiten wie Suizid und Selbsttötung zurück. Dieser Beitrag wird in dieser Hinsicht sicherlich begrifflich unsauber bleiben auch wenn er eine Schlagseite hat, den Suizid kritisch sieht und tendenziell ablehnt. Nichtsdestotrotz soll und darf dieser Beitrag nicht in einer Verurteilung oder gar Belehrung ausarten, was der:die Leser:in kritisch überprüfen soll.
Die Würde des Menschen
Schon die Überschrift ist polemisch und wohl auch zu recht kritisierbar. Immerhin ist gerade der „würdevolle Tod“ ein geprägtes Wort, wenn um aktive Sterbehilfe, Selbsttötungen oder auch das Sterben allgemein geht. Häufig hört man in Gesprächen über den Tod, dass zumindest das eigene Ableben nicht dahinsiechend von statten gehen soll. Mitunter wird für diese Vorstellung eines sanften Dahinscheidens auch gerne das Wort „würdig“ oder „würdevoll“ gebraucht. Bevor die zur zentralen These dieses Beitrags präsentiert wird, soll eine allgemeine Grundlage geschaffen werden. Ein Axiom ist notwendig:
Die Würde des Menschen ist mit ihm verbunden. Sie kommt ihm durch sein Mensch-Sein zu.
Das beinhaltet, dass dem Menschen die Würde auch nicht genommen werden kann. Zweifelsohne können Menschen in ihrer Würde gekränkt und verletzt werden, nicht umsonst beginnt auch die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte mit dem Unantastbarkeitsgebot der menschlichen Würde. Allerdings ist besonders herauszustreichen, dass trotz aller Verletzungen, auch im Angesicht des größten Unrechts, die Würde nicht genommen werden kann. Was bedeutet das nun aber im Kontext des Todes?
Der Tod, der große Negator
Das Ende des menschlichen Lebens ist mit starken Emotionen verbunden. Sind einerseits Kummer und Machtlosigkeit die vorherrschenden Gefühle, gibt es andererseits auch eine Todessehnsucht, die häufig aus der Hoffnung, das Leid und die Not dieser Welt hinter sich zu lassen, erwächst. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass der Tod nicht nur die Verneinung des Lebens ist, sondern er mehr noch das Mensch-Sein beendet und nur einen Leichnam zurück lässt. Man versucht diese grausame Realität gerne beiseite zu schieben und gleichzeitig kann man sich ihrer nicht entziehen. Auch sprachlich schlägt sich diese Wirklichkeit nieder sagt man doch: „Er/sie ist nicht mehr.“ Daher gilt: Der Tod ist der große Negator des (diesseitigen) menschlichen Seins.
Das bedeutet für die Würde des Menschen dann aber auch, dass sie vom Tod negiert wird. Der Tod raubt allerdings nicht die Würde, das kann selbst der Tod nicht, allerdings nimmt er die Voraussetzung der Würde weg: Das Mensch-Sein. Gehört es doch untrennbar zu diesem Mensch-Sein zu leben. Ohne Leben kein Mensch-Sein und ohne Mensch-Sein keine Würde.
Hieraus ergibt sich dann auch die Kritik an der Idee des Todes als Befreiung. Nicht nur, dass man bei jeder Tötung wider der Würde des Menschen handelt, man muss sich auch der Frage stellen, um welche Freiheit es hier geht. Kann es eine Freiheit vom Leben überhaupt geben? Wer ist denn dann Träger der Freiheit? Woran ereignet sie sich? Es scheint plausibler noch zu sagen, dass mit der Würde auch die Freiheit endet, womit es aber auch kein Frei-Sein mehr gibt.